Vor einigen Wochen las ich in Bastian Sicks Kolumne Zwiebelfisch unter dem Titel “Willkommen in der Marzipanstadt” einen erhellenden Beitrag über die Namenszusätze von Städten, die ihrem Stadtmarketing die Arbeit erleichtern wollen. Am letzten Mittwoch befand ich mich in einer ausgelassenen Gesellschaft, die ausgiebig das Thema Bauchnabel besprach. Wie geht das zusammen? Mal sehen!
Neben der von Bastian Sick im Zwiebelfisch aufgeführten "Rattenfänger- stadt Hameln", der "Störtebe- kerstadt Ralswiek" und der "Leineweber- stadt Bielefeld" gibt es noch jede Menge anderer Städte, die sich mit Namenszusätzen interessant machen wollen. Da gibt es die Bundesstadt Bonn, die mal Hauptstadt war und sich jetzt mit einem zweifelhaften Status begnügen muss, wie sonst nur Bern in der Schweiz. Es gibt die "Skatstadt Altenburg", die "Otto-Dix-Stadt Gera", die "Mohrenstadt Eisenberg", die "Konrad-Zuse-Stadt Hoyerswerda", die "Wissenschaftsstadt Darmstadt", die "Barbarossastadt Gelnhausen", die "Niebelungenstadt Worms", die "Glasstadt Zwiesel", die "Lichtstadt Jena", die "Schöfferstadt Gernsheim", die "Brüder-Grimm-Stadt Hanau", die "Schillerstadt Marbach", die "Ringelnatzstadt Wurzen", die Barlachstadt Güstrow, die "Musikstadt Markneukirchen" und die "Pferdestadt Warendorf". Die Liste ist unvollständig und kann jederzeit über Kommentare ergänzt werden.
Alle diese Städte haben eines gemeinsam. Sie wollen sich durch ihre Namenszusätze zum Nabel der Welt machen - sich in die Mitte rücken und aufbauschen wie die Schweizer. Dabei konkurrieren sie mit Orten wie Delphi und der Osterinsel, die bereits seit Jahrhunderten als Nabel der Welt eingeführt sind.
Weder die Osterinsel noch Delphi haben bisher Schildau auf dem Radar. Dabei hat Schildau das Zeug zum neuen Nabel der Welt zu werden. Schildau liegt im Freistaat Sachsen. Genauer: im Landkreis Torgau-Oschatz. Schildau hat bereits einen Namenszusatz: Gneisenaustadt Schildau. Der bringt allerdings nicht viel. Wer will schon wirklich wissen, wer Gneisenau war.
Schildau ist die Stadt, die sich schon im 16. Jahrhunder mit Schildbürgerstreichen ein Alleinstellungsmerkmal im Wettbewerb der Städte sichern wollte. Die Quellenlage dazu ist aber nicht ganz eindeutig, da auch Schilda in Brandenburg, Beckum und Teterow die Ehre der Schildbürgerschaft für sich beanspruchen. Imagemäßig ist das auf lange Sicht im Wettbewerb der Städte sowieso kein entscheidender Vorteil.
Hoffnung weckt nun eine private Initative, die Schildau als Nabelstadt neu positionieren will. Das Forum www.bauchnabelvergleich.de bietet den Bauchnabelinteressierten allerhand. Die Idee für das fingierte Ortsschild (Abbildung links) stammt von dieser Website. Unter anderem werden geboten: Nabelvoting, Nabelupload, Nabelspiele, Nabellinks und Partynabel. Für jeden ist da etwas dabei. Nur für mich nicht. Ich bin eher Nabelverächter. Daran ist nichts zu ändern. Auch wenn "Bauchnabel" in anderen Sprachen viel netter klingt: Ombligo auf spanisch, oder bellybutton auf englisch. Bei der Sicherheitseinweisung auf Flugreisen kann ich mir das besonders schön vorstellen: "In case of emergency please press your bellybutton".
Den eigenen Nabel hat man immer bei sich. In der Regel weiß man auch ganz genau, wo er sich befindet. Städte müssen schauen, wo sie bleiben und wo sie ihren Nabel finden. Die einen versuchen es mit einem Prädikat. Andere wollen sich mit einem Slogan zum Nabel der Welt machen. Hier eine kleine Auswahl von Städten und Gemeinden, denen ein vorangestelltes Prädikat nicht ausreicht. Sie haben sich Slogans erfunden:
Bad Dürkheim - Kur-, Wein- und Erlebnis-Stadt
Bad Liebenzell - im Schwarzwald ganz oben
Bad Wörrishofen - Gesundheit auf dem besten Weg
Bebra - sieh mal da!
Birkenau - Das Dorf der Sonnenuhren
Brandenburg - Die Stadt im Land
Braunschweig - Die Löwenstadt
Castrop-Rauxel - Europastadt im Grünen
Bingen - einfach sympathisch
Datteln – Leben am Wasser
Eberstadt - Leben in traubenhafter Umgebung
Eberswalde - Tradition in Bewegung
Ennepetal - Stadt der Kluterthöhle
Frankenberg - Das Beste zwischen Himmel und Eder
Emden - Das Meer an Leben
Friedberg beflügelt
Göttingen - Stadt die Wissen schafft
Groß-Umstadt - Odenwälder Weininsel
Karlsruhe - Denkfabrik mit Lebensart
Kirn - Nahe am Leben
Lindenfels - Perle des Odenwalds
Mainz - Die Gutenberg- und Medienstadt
Papenburg - offen für mehr
Regensburg - Spitze an der Donau
Rinteln - rundum sympathisch
Rüdesheim - Lebensart in Rheinkultur
Saalfeld - die Feengrottenstadt an der Saale
Scharbeutz - Strand fürs Leben
Schweinfurt - Zukunft findet Stadt
Spechbach - middezwischedrin
Wandlitz - Im Herzen des Naturparks Barnim
Wittenberge - Stadt zwischen Turm und Strom
Wolfsburg - Lust an Entdeckungen
Im Wettbewerb der Städte ist der blanke Wortwitz gut vertreten. Für Karlsruhe gibt es auch noch den Spruch "Karlsruhe - viel vor, viel dahinter!". Eine löbliche Ausnahme ist Spechbach im Odenwald, mit dem Slogan middezwischedrin. Man muss allerdings wissen, dass es Spechbach gar nicht nötig hätte einen Zusatz zu erfinden. Spechbach heißt überall in der Region Schimmeldiwoog - ein wirkungsvolleres Alleinstellungsmerkmal kann man nicht verlangen!
Apropos Wortwitz und v-Erlangen: Erlangen soll hier zum Abschluß positiv gewürdigt werden. Obwohl Siemens dort einen wichtigen Standort hat, ist Erlangen wirklich innovativ. Erlangen hat keinen Slogan, sondern ein Jahresmotto. Das heißt für 2007: natürlich Erlangen. Dem Frankenblog und Lisa Neun sei gedankt, dass Erlangen nicht weiter als langweilig in langweiligen Blogs gedemütigt wird.
Und ganz zum Schluß: Wiesloch in Baden hat auch keinen Slogan. Könnte aber einen haben. Wiesloch ist in der Region Rhein-Neckar vor allem durch das dort ansässige Psychiatrische Landeskrankenhaus bekannt. Der Slogan "Wiesloch - einfach irre!" hat aber keine Chance. Das ist schade.
Quellen: Das Forum www.bauchnabelvergleich.de hat mir wertvolle Einsichten in die Welt des Nabels eröffnet. Auch die Idee für das - noch - fiktive Ortsschild von Schildau stammt von dort. Danke.
Dieser Artikel ist ein Update zu Wissenswertes über Erlangen
Das Ortsschild der Bundesstadt Bonn stammt von Wikipedia und steht unter Creative Commons Licence.
Bei dem Ortsschild von Schildau handelt es sich um ein Composing. Das ursprüngliche Bild stammt von Wikimedia Commons und steht ebenfalls unter Creative Commons Licence.
Samstag, 18. August 2007
Nabelschau - Wissenswertes über Schildau
Eingestellt von Reinhard um 22:40
Labels: Erlangen, Marke, Marketing, Sprachkritik
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3 Kommentare:
Hallo Reinhard, was "Slogans" von Städten angeht, hätte ich auch noch einen beizusteuern, der wohl in die Kategorie "unglücklich" fällt: Die Stadt Suhl präsentiert sich als "Suhl trifft - die Waffenstadt im Thüringer Wald".
Insgesamt muss ich deiner Kerntheses aber widersprechen: Den Städten geht es nicht darum, sich zum "Nabel der Welt" zu erklären. Das Anliegen ist viel profaner. Es geht darum, irgendwie aus der Masse der 2076 Städte in Deutschland herauszuragen. Das Problem ist allerdings: Die wenigsten Städte haben die Mittel, Ihre "Claims" nachdrücklich genug zu kommunizieren, so dass die schönen Attribute meist unbekannt bleiben. Vor dieser Herausforderung steht selbst die Bundeshauptstadt, die gerade einen Wettbewerb rund um eine Markenstrategie ausgeschrieben hat. Als "Stadt im Wandel" sucht Berlin u.a. den passenden Slogan. Ideen? Wie wärs mit "Berlin - da tanzt der Bär"...
Lieber Udo, da käme vielleicht auch noch "Berlin - eine Bärennummer" in Frage, oder "Berlin - bärig stark". Nun ist das mit dem "Herausragen" ja so eine Sache. Im Vergleich zum umgebenden Bauchfleisch, sollte ein Nebel nicht hervor- sondern hineinragen – sonst müsste man einen Nabelbruch attestieren. Trotzdem ist es aber so, dass auch das Hineinragen Aufmerksamkeit erzeugen soll. Am liebsten wäre man der Nabel der Welt, weil der im Bauchfleisch mehr auffällt als die Pickel drumherum.
Noch eine Anmerkung erreichte mich von Heiko, dem Betreiber der Website www.bauchnabelvergleich.de. Er schreibt zu seinen Motiven, diese Seite einzurichten: "War nur mal so eine Idee von mir, da ich ja hier der einzigste in Deutschland bin der anscheinend den Mumm dazu hat, den Nabel als erotisches Zentrum etwas ins rechte Licht zu rücken. Bisher ist der Nabel an sich eher verpöhnt unter den etwas älteren Menschen. Die jüngeren nehmen das Thema sehr gut an." Wollen wir hoffen, dass sich das mit etwas Werbung in meinem Blog ändert.
Ich sag ja normalerweise: "In Linz beginnts".
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