Freitag, 12. Oktober 2007

Autoradio - ratlos


Es ist Herbst und die Nobelpreise fallen von den Bäumen. Für die Demutsforschung ist wieder keiner heruntergefallen. Aber vielleicht könnte man Al Gore dafür vereinnahmen. Heute erreichte mich eine Leserzuschrift zum Thema Technik und Demut. Da muss ich mir nur noch die Arbeit machen, diesen Vorspann zu schreiben. Sonst ist alles gesagt. Autoradios wurden perfektioniert, um uns die Endlichkeit unserer Existenz vor Augen zu führen. Ein Menschenleben reicht nicht aus, sie zu begreifen.

Früher waren Radios sehr einfach. Sie hatten einen Drehknopf zur Senderwahl und einen für die Lautstärke. Dazu kamen einige, wenige Tasten zur Auswahl des Frequenzbereichs. Kinderleicht. Auch heute muss man die Funktionsweise von Radios nicht verstehen. Aber - vor allem die Unterspezies des Autoradios - kann man nicht mehr bedienen, ohne intensive Schulung. Hier eröffnet sich ein weites Feld für die Demutsforschung. Zu Radios und Internet erreichte mich folgende Lesezuschrift:

Lieber Reinhard,

nachdem ich nun so glücklich war durch Deine Ausführungen zu Gesellschaft, Politik und sozialem Leben umfassend und dabei doch objektiv und wertfrei über das Weltgeschehen informiert zu werden, endlich mein Abo der "Zeit" abbestellen zu können (die Entsorgung des Altpapiers hat mich schon immer genervt und hast Du schon mal versucht im Bett die "Zeit" zu lesen?), die lästigen Termine zum Tagesschau und Kulturzeit kucken nicht mehr einhalten zu müssen (stattdessen kann ich jetzt endlos mit meinen Freundinnen telefonieren) und ein neues Billy Regal von Ikea muss ich auch nicht anschaffen, denn was brauche ich Bücher wenn ich Deine mails habe, und überhaupt es ist Buchmesse und weißt Du was da neu erscheint, und was die kosten und ich hab ja auch schon ein paar - also, wie gesagt, nachdem ich dachte meine vormals grauen Tage bekämen durch Dich neuen Glanz, mein Leben würde effizienter, ich endlich schlauer und die Bildung finanzieller Rücklagen fürs drohende Alter nun auch möglich - was soll ich Dir sagen: ich krieg die Links nicht auf!!!

Ich drück auf das so schön blau markierte Feld, dann erscheint die Meldung, dass dieser Link nicht geöffnet werden kann und zu allem Überfluss tutet der PC dann auch noch so komisch. Ich erschreck mich jedesmal!

Sabine sagt, das gibts nicht, bei ihr funktioniere alles! Und echt, Reinhard, das kränkt mich! Ok, zugegebermaßen, ich bin keine Leuchte mit der Technik, vor ein paar Tagen habe ich mir einen tragbaren CD-Player gekauft fürs Auto, weil ich das Auto jetzt seit vierzehn Jahren habe und immer noch nicht weiß wie man den Radiosender umstellt, und mir dachte, pah, höre ich halt beim Fahren die Musik die ich mag und muß mir nicht immer das Geschwätze von grenzdebilen Moderatoren antun, und habe mich auch richtig gefreut, dass ich überhaupt auf die einfache Lösung des Problems gekommen bin, aber das Ding funktioniert nicht ( den CD-Player meine ich, das Auto im Moment auch nicht so gut, morgens gurgelt es immer so komisch beim Anlassen - wahrscheinlich die Batterie, na ja), also, was wollte ich sagen?

Ja, ich traue mich nicht in den Elektrofachhandel wegen dem CD-Player, weil da sind immer so junge Männer die mich dann ganz mitleidig ansehen, und ich fühl mich dann ganz alt und dumm und dann wieder die zeitintensiven Therapiestunden, wo ich doch (siehe oben) gerade meine Zeit gespart zu haben, Du weißt schon: wegen Deiner Beiträge!

Wahrscheinlich gibt es ja einen ganz simplen Trick (obwohl, was ist im Zusammenhang mit Technik schon simpel? Also, ich meine im technischen Sinne simpel, weil wenn ich sehe wer alles so was kann, so was technisches, was ich nicht kann, aber was die alles nicht können, was ich kann, also nicht im technischen ), dann wäre es sowas von entgegenkommend von Dir mir denselbigen zu verraten, weil sonst muss ich wieder jemanden fragen, der mich dann so mitleidig anschaut - na, Du weißt schon!

Und Du musst mich ja nicht anschauen wenn Du mir den Trick per Mail verrätst. Du kannst ja dann ganz für Dich alleine mitleidig schauen, ich sehe es ja nicht.
Also, lieber Reinhard. nix fer ungut und ansonsten einen schönen Tag

(Übrigens hättest Du Deinen Balkon im Sommer schon ein bißchen üppiger bepflanzen können, ich meine ich gehe da fast täglich vorbei und ich mache mir ja auch die Mühe und schlepp Erde und Gießkannen und weißt Du was das für ein Kraftakt das ist, das Zeug im Winter ins Treppenhaus zu schleppen?)


Mit der Bepflanzung meines Balkons hatte ich mich in diesem Jahr ein wenig angestrengt. Wie sich herausstellte, waren es vor allem Bodendecker und Unkraut, die sich bei mir breit machten. Das sieht von unten nicht gut aus. Okay, ich räum den Schrott jetzt rein!

Das Foto zeigt ein Röhrenradio. Es steht unter Creative Commons Licence.

Donnerstag, 11. Oktober 2007

Jeder ein Künstler. Lebenslänglich.


Gerade döse ich ein wenig auf meiner Couch herum, da höre ich, wie Gert Scobel in 3satbuchzeit den us-amerikanischen Autor Richard Ford interviewt. Richard Ford sagt gerade, dass man als Autor nur episodenhaft denkt. Man hat ein Projekt und danach das nächste. Wie er das genau meint, weiß ich nicht, aber mir fällt etwas ein.

Dem geneigten Leser bin ich noch eine Kleinigkeit schuldig. Vor vielen Wochen ging es um die Thesen von rethinking Business. Dazu wollte ich mich nochmals äußern. Heute äußere ich mich endlich zu These 8: "Kern einer sich verändernden Wirtschaftsweise wird der projektwirtschaftliche Sektor sein, der von kreativen Wissensarbeitern und einem florierendem Unternehmertum getragen sein wird." Richard Ford hat sich gerade als Teil des projektwirtschaftlichen Sektors geoutet. Für einen Schriftsteller, wie auch für Angehörige anderer künstlerischer Berufe, ist das nichts besonderes. Jazzmusiker beispielsweise kann man ebenfalls als Zeugen für die Ausweitung des projektwirtschaftlichen Sektors in der Gesellschaft anführen. In den Big Bands der 20er und 30er Jahre herrschten noch weitgehend klare Abhängigkeitsverhältnisse. Der Bandleader war der Boss, die Musiker hatten meist ein festes Engagement mit einem relativ sicheren Einkommen. Anders ist das Business einer Big Band kaum zu betreiben. Mit der weiteren Entwicklung des Jazz etablierten sich kleinere musikalischer Einheiten, mit der Folge, dass sich der projektwirtschafliche Sektor im Jazz immer mehr ausweitete. Musiker taten sich auf eigene Rechnung und eigenes Risiko für einen begrenzten Zeitraum zusammen und trennten sich danach wieder. Das Zauberwort dafür ist auch heute noch "Projekt". Ganz nachdrücklich habe ich dazu noch ein Konzert vom 22.10.2004 in Erinnerung: Alexander von Schlippenbach und Die Enttäuschung spielen das Gesamtwerk von Thelonious Monk. Das war ein tolles Projekt und ein tolles Konzert.

Nun bin ich der Meinung, dass Kunst gesellschaftliche Entwicklungen immer ein wenig - manchmal auch ein wenig mehr - vorwegnimmt. So könnte es sein, dass die Denker von rethinking Business auf der richtigen Spur sind: Anstatt in gesicherten Arbeitsverhältnissen arbeiten immer mehr Menschen auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko. In Frankreich hat das vor zwei Jahren zum Aufstand der Praktikanten geführt: Der Aufstand einer gesellschaftlichen Gruppe ohne Perspektive, die projektwirtschaftlich von einem zum nächsten unterbezahlten Projekt durchgereicht wurde. Hier zeigten sich die Grenzen und die Gefahren der Ausdehnungsfähigkeit des projektwirtschaftlichen Sektors.

Für die Kunstproduktion läßt sich historish belegen, dass der Künstler sich früh als Ich AG in der Gesellschaft zurechtfinden mußte. Viele bildende Künstler sichern diese prekäre Situation noch immer dadurch ab, dass sie als Kunsterzieher eine Basisversorgung beziehen. Der Kunstmarkt ist ein hartes Geschäft und in diesem Teich überleben vor allem die Haifische.

Apropos Haifische. Damien Hirst, der bekanntetste Vertreter der „Young British Artists“, wurde mit einem in Formaldehyd eingelegte Tigerhai bekannt. Vor einigen Wochen las ich in der Süddeutschen Zeitung, dass Damien Hirst einen Schädel mit Diamanten versehen hat. Gemeinsam mit anderen Investoren kaufte er das Kunstwerk für 75 Millionen selbst (siehe Süddeutsche.de). Das nennt man eine spekulatives Geschäft auf die eigene Zukunft. Aber dafür braucht man ein Grundkapital, das sich nicht aus den Bezügen eines Kunsterziehers aufbauen läßt. Da muss man Haifisch oder Heuschrecke sein.

Man muss also schon fragen, wer in der Projektwirtschaft wen über den Tisch ziehen kann. Ein modernes Wirtschaftsmagazin hat eine lesenswerte Kolumne mit dem Titel "Die kleinste wirtschaftliche Einheit: der Mensch". Der Mensch ist nicht nur die kleinste wirtschaftliche Einheit, sondern auch die schwächste. Und da ist die kritische Frage, die der Zukunftsforschung eine ernste Angelegenheit sein sollte, wieviel Projektwirtschaft verträgt eine Gesellschaft und welche Organisationsformen beschränken die Macht der wirtschaftlich Mächtigen? Sonst könnte es so sein, dass Andy Warhols "15 minutes of fame" zu lebenslänglicher Perspektivlosigkeit wird. Das wäre dann Künstlerpech.

Dies ist ein Update zu Thesen und Tatsachen und An die Wand geworfen!

Das Foto zeigt Jimmy Carter und Andy Warhol bei einem Empfang im weißen Haus am 14. Juni 1977. Es steht unter Creative Commons Licence.

Montag, 1. Oktober 2007

Witzige Kreaturen


In der sogenannten Blogosphäre trifft man manchmal Kreaturen, die den Fantasien eines Science Fiction Autors entsprungen sein könnten. Eines dieser Aliens nennt sich Don Alphonso - mit bürgerlichem Namen Rainer Mayer - und von Beruf will er Journalist sein. Aber eigentlich ist er so etwas wie der Pinochet der Bloggerscene. Auch für eine Praktikantenstelle bei der Militätdiktatur von Myanmar könnte er sich mit guten Chancen bewerben.

Was in den letzten Stunden geschah! Auf einen substanzlosen Beitrag des sogenannten Don Alphonso zum Thema Tag Clouds postete ich eine Kommentar mit dem Tenor, es gäbe Wichtigeres als Glaubenskriege um Tag Clouds zu entfachen. Im schlechtesten Falle seien sie überflüssig. Im besten Falle sind sie Lyrik. Der Kommentar enthielt einen Link auf meinen Beitrag zum Thema Tag Cloud Lyrics. Wenig später war mein Kommentar gelöscht und ich konnte stattdessen dort folgende Drohung lesen: "[Schön langsam wird mir die Eigenwerbung diversen Preisvergleicher, Küchentisch-PRler und Awarenessnörgelis zu viel. Wer damit unbedingt auffallen will, sollte sich überlegen, ob er später wirklich mal als Spammer auf einer schwarzen Liste auftauchen will. Ganz oben bei Google mit vielen Daten. Don]".

Drohungen von Möchtegernjournalisten schüchtern mich niemals ein. Mein Kommentar zu dem überschriebenen Kommentar lautete in etwa wie folgt. "Ups, dem schlechten Ruf der Ihnen vorauseilt, werden sie ja in sekundenschnelle gerecht. Gruß vom Küchentisch." Rund zehn Minuten später war auch dieser Kommentar gelöscht.

Da ich noch ein wenig Zeit hatte postete ich diese wenigen Worte: "Ups, da waren es wieder nur 24 Kommentare. Die Kleingeistigkeit mit der Don Kommentare löscht überrascht mich doch. Nochmals Gruß vom Küchentisch." Auch dieser Kommentar wurde innerhalb einer knappen Viertelstunde gelöscht.

Minuten später erschien auf Blogbar.de der folgender Beitrag von Don Alphonso:

"Kennen mittlerweile ziemlich viele Blogger: Da kommt ein Kommentar von einem, von dem man noch nie was gehört hat, der entweder ein paar halgbare Worte der Bestätigung hinterherschiebt, oder trollmässig abkotzt und seinen eigenen Link reinklatscht. Verknüpft wird das in der Eingabemaske mit Webseiten wie Tarifedurchchecken23.de, kuchentischpr2000.com, patronenstoff.net, astrologieconsultundhilfe.net und supadollemarketingberatung.co.uk. Manchmal sind es kommerzielle Blogs, oft auch einfach Kommerzseiten. Der Themenbezug ist minimal, oft haben die Knilche noch nicht mal begriffen, worum es eigentlich geht.

Das Problem dieser händisch eingetippten Scheisse ist im momentanen Ausmass - an der Blogbar z bis zu 5 Kommentare am Tag - vergleichsweise neu. es begann vor etwa drei Monaten und wird ganz offensichtlich von den Seiteninhabern selbst betrieben. Ich frage mich, ob es da irgendwelche Seminare, Ratschläge oder Mailings gibt, die das in den letzten Monaten empfehlen. Nach meiner Beobachtung sind davon vor allem “grössere” Blogs betroffen, bei denen man sich zum Kommentieren nicht extra anmelden muss. Nur zwei dieser Spammer sind bislang auch auf meinem Blogger.de-Blog aufgetaucht.

Bislang habe ich den Krempel manuell gelöscht, aber nach dem heutigen Radaubruder, der partout sein PR-Blog ins Gespräch bringen wollte, frage ich einfach mal in die Runde: Was tun? Rechtlich wird es wacklig, weil es tatsächlich nicht reiner Spam ist. Also, was dann? Könnte eine Art Prangerliste bei diesen Freunden helfen? Jojo hat es mal mit der Einstellung der Verlinkung probiert, aber genau das würde ich nicht machen wollen; schliesslich erschwert das die Orientierung beim kommentieren und diskutieren enorm."


Also der Mann ist entweder im Dauerrausch, ein Alien oder er ist ernsthaft krank. Wie anders als händisch, sollte man seine Kommentare sonst eintippen. Spracherkennung? Die Frage ist, kann man ihm helfen oder sollte man ihn zurück auf Alpha Centauri schießen? Ich tendiere zur letztgenannten Option.

Die Abbildung steht unter Creative Commons Licence.