Samstag, 30. Juni 2007

Sammelsalarium


Es gibt Worte, die sehen vertraut aus, dabei gibt es sie gar nicht. Es gibt aber auch Worte, die schaut man an, und je länger man hinschaut, umso fremder wirken sie. Alexander Kluge läßt in seine Film Die Patriotin eine Stimme aus dem Off sagen: „Je näher man ein Wort anschaut, um so ferner schaut es zurück".

Sammelsalarium ist zweifellos ein schönes Wort. Jeder weiß, dieses Wort gibt es im Deutschen nicht. Gemeint ist natürlich Sammelsurium, das umgangssprächlich für Unordnung, Durcheinander und fehlende Systematik steht. Unklar ist, ob der Vater von Sabine, von dem dieses Sammelsalarium stammt, Sammelsurium bewußt verballhornt (Verballhornung: auch ein schönes Wort), oder ob er sich ganz im Einklang mit der korrekten Sprech- und Schreibweise wähnt.

Meine Mutter beispielsweise glaubt seit einem halben Jahrhundert, dass sie das Wort Tschüß richtig ausspricht. Dabei sagt sie jedes Mal Schüß – also mit einem “Sch” zu Beginn, wie bei “Schülerausweis”. Mein Mutter kauft seit einem halben Jahrhundert ihren Kaffee bei Tchibo und dieses Tchibo spricht sie vollkommen korrekt aus. Dass ihr “Schüß” irgendwann einmal wie Tchibo anfängt, daran glaube ich nicht mehr.

Ähnliches ist mir neulich selbst widerfahren und mein Freund Bernhard hat dies in seinem Kommentar zum Beitrag Berufswunsch:Grantler zum Thema gemacht. Er beginnt mit der Beobachtung, dass mir eine gewisse Rechtschreibschwäche, vor allem auch in der Interpunktion, zu Recht nachgesagt werden könnte. In der Tat ist die Anwendung von Regeln nicht so ganz mein Ding. Schon in der Schule definierte ich die Anzahl der Kommata in einem Text nach dem arithmetisches Mittel, und setzte sie an den Stellen ein, wo sie am Besten aussahen. Was Bernhard allerdings länger beschäftigte, war das von mir gewählte Wort Obzession. Sein Kommentar schließt mit den Worten: “Bitte erlöse mich: War es nur ein Schreibfehler? Oder steckt mehr dahinter?”

Lieber Bernhard, es war nicht nur ein Schreibfehler und es steckt auch nicht mehr dahinter! Deine Frage muss ich also mit einem entschiedenen Weder-Noch beantworten. Wenn man so will, dann war es zunächst nur ein singulär auftretender Fehler in meiner Aussprache – im Unterschied zu ständig und allerorten auftretenden Sprach- oder auch Sprechfehlern. Es steckt allerdings insofern mehr dahinter, als man sich mit der Aussage “Das Finnische ist einfach, weil man so spricht, wie man schreibt!” vollkommen neu auseinandersetzen müßte. Ganz davon abgesehen, dass das Finnische alles andere als einfach ist, gilt diese Aussage für keine der mir bekannten Sprachen. Auch im Deutschen spricht man nicht, wie man schreibt. Allerdings schreibt man – fatalerweise – manchmal wie man spricht.

Ich jedenfalls habe das beanstandete Wort Obzession in der Vergangenheit höchst selten geschrieben. Grantelnd benutze ich es schon sehr lange, und dabei immer mit einem “z” nach dem einleitenden “obs”. Also so, als ob ich “obszön” sagen wollte. Deine Irritation hätte ich vermeiden können, hätte ich von “Besessenheit” gesprochen. Aber jetzt ist mir meine Aussprache ins Schriftliche geraten und das hat seine Weiterungen.

“Je näher man ein Wort anschaut, um so ferner schaut es zurück”. Kurz hatte ich bei der Niederschrift gestutzt, und andere Schreibweisen in Erwägung gezogen. Viele kamen nicht in Frage. Die vermutlich Richtige wurde ohne Konsultation des Duden verworfen, da sie – nach meinem Geschmack – nicht gut aussah. Obsession – das riecht doch stark nach Parfüm. Interessant sind aber Deine vergleichenden Studien, nach denen Du feststelltest, dass Obzession, in der von mir zugedachten Bedeutung, kein deutsches und auch kein englische Wort sein kann.

Im Spanischen bedeutet obsession neben Zwangsvorstellung auch Besessenheit und – Leidenschaft. Dies kommt dem von mir angestrebten Sinn des Textes sehr entgegen. Für die Zukunft gelobe ich: Ich werde meine Rechtschreibung durch eine Verfeinerung meiner Aussprache verbessern. Dort wo es möglich ist, werde ich, globalisierungskritisch, nach dem entsprechenden deutschen Wort suchen. Für das Sammelsalarim, dass ich dadurch angerichtet habe, dass ich schrieb, wie ich sprach, entschuldige ich mich bei allen, denen ich Kopfzerbrechen bereitet habe. Sammelsalarium finde ich viel besser, als Sammelsurium, da es augenscheinlich ein viel größeres Durcheinander anrichtet.

Gerade komme ich aus Norwegen zurück. Ein wunderbares Land mit ebenso wunderbaren 4.681.100 Einwohnern. Die norwegische Sprache kennt kein “Z”. Unser Zentrum heißt dort Sentrum. So kann man sich viel Ärger ersparen. Allerdings spricht auch der Norweger nicht wie er schreibt. Das Norwegische kennt, nach meiner Schätzung, etwa vierhundertdreiundneunzig Aussprachen des Buchstabens “A”. Das “Å” spricht man aber wie “O”.

Dieser Artikel bezieht sich auf den Kommentar von Bernhard zu Berufswunsch: Grantler

Mittwoch, 20. Juni 2007

Putz, Stuck, Rabitz


Man könnte glauben, Wikipedia weiß alles. Wikipedia weiß allerdings nicht was Rabitz ist. Für uns unwissende Einzelmenschen ist das eine kleine Genugtuung. Ich jedenfalls weiß jetzt, was Rabitz ist.

Heute beim Mittagessen öffnete Jochen R. sein Herz und erzählte den Anwesenden, wie einer seiner Lieblingswerbesprüche aus vergangenen Zeiten laute. “Putz, Stuck, Rabitz” – tausenfach habe er diese Wortfolge auf Lkw-Planen gelesen, aber keiner wisse was Rabitz sei. Er hat recht. Da mir Worte leid tun, deren Bedeutung keiner kennt – aber auch Dinge, für die es keine eindeutigen Worte gibt, wie zum Beispiel den Pömpel,den Pimpel oder den gestillten Durst – nehme ich mich des “Rabitzes” (oder ist der Genetiv von Rabitz “Rabitz”?) jetzt an und werde ihm eine Bedeutung verschaffen.

Stuckateure, die sich laut Berufsbezeichnung mit Stuck befassen, wissen vermutlich auch genau was Rabitz ist. Nicht umsonst fuhren sie ja jahrzehntelang mit dem “Putz, Stuck, Rabitz”-Spruch durch unser Blickfeld. Der Stuckateurmeister und geprüfte Restaurator im Stuckhandwerk Friedrich P. Schuster erklärt uns den Rabitz auf seiner Website:

“Rabitz ist eine Drahtputzarbeit, die 1864 vom Maurermeister Carl Rabitz erfunden wurde - 1878 wurde dieses Verfahren patentiert. Rabitz wird nach wie vor im Denkmalbereich eingesetzt.
Die Raumgestaltung mit dieser Technik bietet der Fantasie der Architektur ungeahnte Möglichkeiten.Decken (z.B. die Philharmonie-Decke) werden durch das Rabitz-Verfahren als akustische Maßnahme für die Ausschallung des Zuhörerraumens eingesetzt. Erst in letzter Zeit wurde Rabitz bei geraden Decken durch Trockenbau (Gipskartonplatten) abgelöst. Viele Bereiche sind jedoch nicht mit dieser modernen Technik zu bewerkstelligen. Hier greifen die Architekten gerne auf die alte Rabitz-Technik (Kreuzgewölbe, Gesimsvorspannungen und Sonderkonstruktionen mit engen Radien) zurück.”

Auf der Website der Stuck Nagel GmbH findet der Rabitzbegeisterte noch genauere Informationen. Beispielsweise über die der Rabitzdecke zugrundeliegende DIN-Norm 4121 und über die Feuerwiderstandsklasse. Dort findet man auch die Kurzdefinition. Danach ist Rabitz eine “hängende Drahtputzdecke”. Das kann man sich doch plastisch vorstellen, oder?

Ich jedenfalls bin froh über meine gute Tat, dem Rabitz endlich seine angemessene Bedeutung verschafft zu haben. Es gibt keinen Grund, weshalb über Putz und Stuck jedermann Bescheid wissen sollte, der Rabitz aber immer hintenrunter fällt.

Dienstag, 19. Juni 2007

Berufswunsch: Grantler


Mein Berufswunsch, im fortgeschrittenen Alter, wäre Grantler. Ich muss mir allerdings noch überlegen, ob Querulant nicht doch vorteilhafter wäre. Als Querulant ist man nämlich, unter bestimmten Voraussetzungen, nur vermindert schuldfähig. Ausschließen kann ich für mich Berufe wie Nörgler oder Kleingeist – rechtlich brächte das auch keinen Vorteil.

Mein erster Berufswunsch war, ich wollte Picasso werden. Kein unbescheidener Gedanke, aber das war mir zu diesem Zeitpunkt nicht klar. Als kleiner Mensch, saß ich am heimischen Küchentisch und zeichnete. Dabei merkte ich, dass das gegenständliche Zeichnen seine Tücken hat. Meine Äpfel auf dem Zeichenblatt waren alles andere als perfekt. Sie hielten dem Vergleich mit ihre realen Vorbildern nicht stand. Ich zeichnete Kaffeetassen, aber auch da war das Ergebnis nicht besser. Reale Kaffeetassen, fand ich, sahen besser aus.

In diese enge Welt, am heimischen Küchentisch, flatterten irgendwann die Gemälde von Pablo Picasso. Bilder von Frauen, deren beide Augen rechts von ihrer Nase waren. In diesem Moment wußte ich, dass man sich als Künstler von allem frei machen mußte. Als Künstler konnte man Kaffeetassen zeichen, wie man wollte. Diese Freiheit wollte ich auch.

Neben der Freiheit, war in diesem Beruf allerdings auch Obzession gefordert. Deshalb nahm ein zweiter, weniger an Obzessionen gebundener Berufswunsch in mir langsam Formen an: Dekorateur – oder, wie man heute sagt, Gestalter/Gestalterin für visuelles Marketing. Irgendwie irre, diese Berufsbezeichnung.

Zu diesem Zeitpunkt wußte ich noch nicht, dass Lothar Matthäus einige Jahre später diesen Beruf erlernen würde. Wenn ich mich richtig erinnere, schrieb ich auch einige Bewerbungen. Ersatzweise bewarb ich mich gleichzeitig auch noch um eine Ausbildungsstelle als Bauzeichner. Das Schicksal meinte es gut mit mir: Ich bekam nur Absagen. Einige Jahre später, kurz vor meinem Abitur, empfahl mir mein Vater, ich solle Busfahrer werden. Im Rückblick, kein schlechter Rat. Hat man doch geregelte Arbeitszeiten, einen engen Fahrplan und vorbestimmte Routen.

Ich entschied mich trotzdem für eine Karriere als Gelegenheitsarbeiter. Diese Berufsbezeichnung war mir sehr lieb und ich gab sie, wann immer eine Berufsbezeichnug erforderlich war, als meinen Beruf an. Als Gelegenheitsarbeiter arbeitete ich bei Unilever, bei der Th. Goldschmidt AG, bei Wild Fruchtsäfte und als Taxifahrer – letzteres nahezu zeitgleich mit dem späteren Außenminister Joschka Fischer. Dieser fuhr allerdings in Frankfurt seine Touren und ich in Wetzlar. Danach war ich sechs Jahre Buchhändler und Gelegenheitsstudent. Der Beruf des Buchhändlers ist mir in dieser Zeit sehr ans Herz gewachsen und folglich änderte ich meine Berufsbezeichnung. Ab dieser Zeit war ich, bei allen amtlichen Angelegenheiten, Buchhändler und das ist heute noch mein Traumberuf.

Letztendlich wurde ich Ende der 80er-Jahre doch noch Dekorateur und gründete mit meinem Freund Jochen eine Werbeagentur. Da arbeite ich gelegentlich, seit nunmehr über sechzehn Jahren. In dieser Zeit stattete ich viele Schaufenster, mehr oder minder namhafter Unternehmen, mit pfiffigen Kommunikationsfassaden aus. Jetzt wird es langsam Zeit für einen neuen Berufswunsch.

Grantler scheint mir zu liegen. Ein Grantler, das ist eine liebenswerte Person, die mürrisch vor sich hinbrabbelt. Grantler stehen außerhalb des Mainstream. Grantler sind kritische Geister. Sie sind die wirklichen Individualisten. Grantler sind Sonderlinge in einem Universum, der vorgestanzten Individualitätsschablonen. Für Tugendterror – um meine Thema hier nochmals aufzunehmen – sind sie kaum empfänglich.

Der Beruf des Grantlers richtet ausgesprochen wenig Schaden an. Weniger Schaden jedenfalls, als die meisten anderen Berufe. Ich würde mich sogar zu der Behauptung versteigen, dass der Grantler weitgehend schadstoffrei agiert. Das sollte wirklich ein gewichtiges Argument dafür sein, dass sich mehr Menschen für diesen schönen Beruf entscheiden. Die meisten Tätigkeiten, die wir ansonsten verrichten, erhöhen den Kohlendioxydausstoß, führen zu Fettleibigkeit und Herzinfarkt, versauen die politische Kultur, lassen unnütze Produkte in strahlendem Licht erscheinen, verschleiern die wahren Absichten der Akteure in Politik und Unternehmen und sorgen letztlich dafür, dass man sich Sorgen um die Zukunft dieses Planeten machen muß. Der Grantler hingegen arbeitet an der Verbesserung dieses Planeten und nicht daran, Grenzwerte für die gerade noch akzeptable Verschlechterung zu definieren und einzuhalten. Als Grantler ist man frei wie Picasso, ohne Obzessionen pflegen zu müssen. Damit schließt sich für mich der Kreis.

Zurückkommen möchte ich allerdings noch einmal auf die Frage, ob der Beruf des Querulanten nicht praktischer ist. Gestern las ich, dass Webblogs von professionelen Dünnbrettbohrern abgemahnt werden, wenn sie kein hieb- und stichfestes Impressum haben. Ich habe keines und mache mir auch nicht die Mühe, eines zu erstellen. Als Grantler in spe, bekenne ich, dass ich seit Jahrzehnten schon dem Querulantenwahn anheim gefallen bin. Liebe Abmahnindustrie, macht euch nicht die Mühe. Mein heutiges Bekenntnis wirkt auch in Zukunft strafmildernd. Meyers Taschenlexikon von 1981 sagt:

"Querulant (lateinisch) - Mensch mit übermäßig stark ausgeprägtem Rechtsempfinden. Gegen tatsächliche oder vermeintliche öffentlich-rechtlich, politisch, religiöse u.a. Ungerechtigkeiten setzt er sich starrsinnig und selbstaufopfernd ein, wobei Anlaß und Verhalten in keinem vernünftigen Verhältnis stehen. Querulanten werden z.T. den Psychopathen zugerechnet. Häufig findet sich beim Querulanten eine mitunter weit zurückliegende tatsächlich erlittene Ungerechtigkeit."


Diese weit zurückreichende erlittene Ungerechtigkeit würde ich bei Bedarf locker nachliefern. Nach diesem Ausflug zum Querulantentum, möchte ich dem Grantler seinen Platz in der Geschichte sichern. Begnadete Grantler waren und sind Hans Moser, Alfons Schuhbeck, Peter Scholl-Latour, Georg Schramm und Winston Churchill. Für weitere Informationen über bedeutende Grantler und ausufernde Kommentare bin ich dankbar.

Kleine Anmerkung am Schluß. Henrick M. Broder schreibt über Peter Scholl-Latour:

“Das Schlimmste an Peter Scholl-Latour sind nicht seine Ansichten, sondern seine Fans. Er selber ist ein routinierter Grantler, kann aber auch charmant sein. Und er ist kein Übelnehmer. Er teilt aus und steckt ein.”

Montag, 11. Juni 2007

Moderne Zahlungssysteme


Neulich war ich auf einem Konzert von Herbert Grönemeyer in der Commerzbank Arena. Die Tatsache, dass Stadien nicht mehr nach ihrem Namen benannt werden, sondern nach ihrem Sponsor – in diesem Fall war es das Frankfurter Waldstadion – ist eine zweifelhafte Neuerung. Die Tatsache, dass man bei diesem Besuch mit modernen Zahlungssystemen konfrontiert wird, führt nicht nur zu Zweifeln an der Moderne – meist hat man echt schlechte Karten.

Geld ist eine wunderbare Erfindung, wenn man welches in der Tasche hat. Man muss nicht mehr alles selber machen oder sogar Landwirtschaft betreiben. Früher musste man die halbe Apfelernte in halbe Schweine tauschen, damit man als Obstbauer Fleisch zwischen die Zähne bekam. Neue Schuhe, das bedeutete wochenlanges Korbflechten und die Mühsal, einen zu finden, der des Schusterns kündig war und gerade zufällig auch noch Körbe brauchte. Geld ist da schon sehr praktisch. Theoretisch konnte man früher mit Geld auf Konzerte gehen und bekam dafür Getränke und Essen. Die Zeiten sind vorbei.

Schuld daran sind Firmen wie die SFM Payment GmbH, die wiederum eine hundertprozentige Tochter der Stadion Frankfurt Management GmbH ist. Das Produkt dieser Firma nennt sich pay|clever. Wer einmal der Diktatur dieses Produkts ausgesetzt war, wünscht sich nichts sehnlicher, als den Abstieg der Frankfurter Eintracht in die unterste Spielklasse.

Aber beginnen wir am Anfang: Gut ausgestattet mit Bargeld, diversen Kreditkarten und einer Geldkarte meiner Hausbank betrat ich den Innenraum der Commerzbank Arena, um mir einen bequemen Stehplatz zu sichern. Die nächsten Stunden sollten unbeschwertem Konsum vorbehalten sein: Bratwurst, kalte Getränke, frenetische Zuschauer und Live-Musik. Bei einem Konzert schaut man nicht auf's Kleingeld. Die körperlichen Grundbedürfnisse sollten den Musikgenuß auf keinen Fall trüben. Also stand ich bald nach der Ankunft, mit meinen Beleiterinnen und Begleitern, vor einer der Versorgungsstationen, die Getränke und kleine Speisen in zweifelhafter Qualität, aber in ausreichenden Mengen offerierten.

Beim Blick auf die Spitze der Schlange stellte ich fest, dass dort nicht Bargeld den Besitzer wechselte, sondern alle mit schwarz-braunen Scheckkarten bezahlten. Mir schwante Übles, denn ich hatte schlechte Karten – meine waren alle blau. Die Nachfrage bei anderen Konsumwilligen verschaffte mir Klarheit: “Sie brauchen eine pay|clever-Karte und die bekommen Sie bei den Menschen mit den gelben Jacken.”

Also raus aus der Schlange und beim pay|clever-Verkaufsagenten angestellt. Der erklärte mir, weshalb die Idee dieses modernen Zahlungssystems so clever sei. Man kauft eine Karte, die mit fünfzehn Euro aufgeladen ist. Restbeträge könne man sich problemlos nach dem Ende des Konzerts an einer Kasse, mit all den anderen 24.000 Besuchern, auszahlen lassen. Echt clever!

Durch diese Erklärung gewarnt, kaufte ich nur eine der Karten und wollte meine Begleiterin zu einem Bier und einer Bratwurst einladen. Clever wie ich bin, hatte ich ausgerechnet, dass dies mit fünfzehn Euro locker zu schaffen sei. Also zurück in die Schlange am Versorgungsstand und nach knapp fünf Minuten konnte ich meine Bestellung aufgeben.

“Leider hat ihre Karte zu wenig Guthaben”, eröffnete mir die Servicekraft, “denn auf den beiden Bechern sind insgesamt fünf Euro Pfand!” Wieder raus aus der Schlange und, bereits gehörig verärgert, zurück zum pay|clever-Verkaufsagenten. Anschließend mit zwei pay|clever-Karten zurück in die Schlange. Bier und Bratwurst stillten den Hunger und den ersten Durst. Nach der Vorgruppe meldete sich der zweite Durst.

Da eine der Damen im Begriff war, eine der Toiletten aufzusuchen, traf es sich gut, dass sie sich bereit erklärte, auch den Getränkenachschub zu übernehmen. Ausgestattet mit mehreren pay|clever-Karten machte sie sich auf den Weg.

Toilettenbesuche auf Konzerten können sich hinziehen, das weiß jeder. Aber nach einer knappen halben Stunde begannen wir uns ernsthaft Sorgen zu machen. Als unsere Wohltäterin endlich auftauchte, war sie in einem emotionalen Ausnahmezustand. Statt der drei Getränke hatte sie nur zwei. Ihre Schilderung der Ereignisse der letzten halben Stunde waren die, einer Odysee, durch die absurden Abgründe einer “cleveren” Idee.

1. Leere Becher konnten an den Versorgungsstationen nicht zurückgegeben werden. Dafür waren eigene Rückgabestationen eingerichtet worden.

2. Gebrauchte, leere Becher konnten an den Versorgungsstationen nicht erneut gefüllt werden, da Beträge ohne Pfand nicht gebucht werden konnten.

3. Die Rückgabestationen – und das ist wahnsinnig clever – schrieben die Pfandbeträge nicht auf den Karten gut, sondern zahlten den Betrag in bar aus.

4. An den Versorgungsstation war es nicht möglich, den Rechnungsbetrag mit den Guthaben von mehreren Karten zu begleichen.


Das sind die Gründe, weshalb wir nur zwei Getränke bekamen, statt der gewünschten drei. Das sind die Gründe, weshalb unsere Wohltäterin eine halbe Stunde lang durch den Irrgarten des pay|clever-Systems irrte und fortan für Modernes kaum zu begeistern sein wird. Und das sind die Gründe, weshalb sich auf jeder unserer cleveren Karten am Ende des Konzertes noch Minibeträge zwischen sechzig Cent und drei Euro befanden.

Die drei Euro-Guthaben fraßen wir ganz am Ende auf. Bei den Bratwürsten für 2,60 Euro das Stück, wurden – gottseidank – keine fünfzig Cent Serviettenpfand verlangt. Auf einer meiner Karten befindet sich noch ein Guthaben von vierzig Cent. Ich überlege ernsthaft die Rückerstattung einzuklagen, obwohl die Geschäftsbedingungen der SFM Payment GmbH dies ausschließen. Morgen rede ich mit meinem Rechtsanwalt.

Ich weiß nicht, wer mit dieser cleveren Idee, wen übers Ohr haut. Mein Verdacht ist, dass der konsumwillige Konzertbesucher unterm Strich der Gelackmeierte ist. Aber: Statt vier Getränke, hatte ich nur zwei. Dafür aber eine Bratwurst, die ich nicht wollte.

In Buenos Aires wurde vor einigen Wochen ein Bahnhof verwüstet, weil die Kunden sich nicht länger mit der Willkür des Bahnbetreibers abfinden wollten. Ich könnte auch verstehen, wenn sich ein solcher Zorn, eines fernen Tages, gegen moderne Zahlungssysteme richtet. Man sollte nicht nur den Tugendterror (siehe meine Postings zu Volvos und Freundlichkeit) aufmerksam beobachten. Man sollte auch die cleveren Jungs der Stadion Frankfurt Management GmbH nicht aus den Augen lassen.

Für die nächsten fünf Spielzeiten wünsche ich der Frankfurter Eintracht den Abstieg.

Berichte zu den Grönemeyer-Konzerten:

littlesirius.mleo.net
Bondeas Tagebuch
HaiTech-Blog

Mittwoch, 6. Juni 2007

Die Tyrannei der Freundlichkeit


“Die Erde ist freundlich, warum wir eigentlich nicht?” Mit dieser Frage schließt Herbert Grönemeyers Lied Stück vom Himmel. Es ist eine sehr kühne Behauptung, dass die Erde freundlich sei. Sind Erdbeben, Tsunamis, Bergrutsche und Vulkanausbrüche etwa freundlich? Die Erde, und das ist die erschreckende Wahrheit, kümmert sich einen Dreck um uns Menschen. Ganz anders, steht es um die Freundlichkeit der Mitmenschen. Da kann einem richtig Bange werden.

Amerikaner sind an sich nette Menschen. Allerdings haben viele, einen Hang zur guten Laune entwickelt, der nervenzerfetzender kaum sein kann. Vor allem die Servicekräfte des Übernachtungs- und Gastronomie- gewerbes sind in der Lage meine Laune innerhalb von Sekunden auf den absoluten Nullpunkt abzusenken. Frische, aufgeräumte und lächelnde Erscheinungen, die bereits vor meiner ersten Tasse Kaffee, die Frage nach meinem momentanen Befinden stellen, die wissen wollen, wie meine Nacht war und fragen, was ich den Tag über zu tun gedenke – die sind eine echte Plage. Zu dieser Stunde bin ich nicht frisch, nicht aufgeräumt und will nicht lächelnd und freundlich wildfremden Menschen Fragen beantworten. Zu dieser Stunde möchte ich wortlos meinen Kaffee trinken und ganz langsam zu mir kommen.

Am Liebsten – um es klar zu sagen – sind mir Kellner, die sich nicht in meine Psychohygiene einmischen. Bei Bedarf sollen sie möglichst unauffällig Kaffee nachschenken – in der Beziehung bin ich gnadenlos altmodisch. Aufmerksamkeit wiegt in diesem Gewerbe – finde ich – mehr als Freundlichkeit. Gegen stille Freundlichkeit habe ich nichts einzuwenden, solange die Aufmerksamkeit nicht zu kurz kommt. Der lauten, amerikanischen Form der Freundlichkeit ziehe ich in jedem Falle einen unfreundlichen Kellner vor, der seine Arbeit macht und die Klappe hält.

Leider werden diese grantigen Kellnertypen, auch im alten Europa, immer seltener. Stattdessen ist man, schon beim Frühstück, immer häufiger Entertainmentspezialisten ausgesetzt. Ihre Gutgelauntheiten führen sie in Hotels, Restaurants, Lounges und Coffeeshops auf. Sie sagen brav ihr Sprüchlein: “Mein Name ist Robert, was kann ich für sie tun?” Das mit dem Vornamen lasse ich mal beiseite. Vielleicht komme ich in einem anderen Posting darauf zurück. Nur, weil ich an einer Hotelrezeption ein Taxi bestelle, will ich keine persönliche Beziehung beginnen. Ich will mich keinesfalls, und schon gar nicht aus nichtigem Anlaß, in Vertraulichkeiten verstricken. Nie würde ich Robert mit ”Robert” ansprechen.

Was aus der Neuen Welt da in die Alte schwappt, das sind Sprüchlein. Und diese Sprüchlein sind gelernte Sprüche – antrainiert in Umerziehungslagern, die von Experten in Sachen Kundenbindung und Serviceorientierug ausgedacht und geleitet werden. Das Ergebnis: Überall die gleichen Worte, der gleiche Klang, das gleiche Lächeln. Kurz: Die konfektionierte gute Laune auf Du und Du.

Dies wird durch eine kleine Geschichte illustriert, die mir Nicole gestern erzählte. Kürzlich besuchte sie mit ihrem Freund einen Coffeeshop. Zu diesem Zeitpunkt war in diesem Laden nichts los. Sie waren die einzigen Gäste. Für Menschen, die noch nie einen Coffeeshop besucht haben, sei klargestellt: Es gibt dort keine Kellner, sondern nur freundliches und geschultes Servicepersonal, das sich hinter der Theke verschanzt. Dort gibt man seine Bestellung auf. Dort holt man die bestellten Getränke auch ab, sobald sie fertig sind. Für die Servicekräfte im Schutzraum der Theke, ist es natürlich schwierig den Überblick, über die auf Service wartenden Gäste, in den Weiten des Raumes zu behalten. Coffeeshop-Ketten haben sich deshalb mannigfaltige Techniken ausgedacht, dieses Problem in Griff zu bekommen.

Nicole machte Bekanntschaft mit einer dieser Techniken. Allein in den Weiten des Raumes bestellte sie, bei der gut geschulten Servicekraft einen Kaffee mit Haselnuß-Flavour. Die gut geschulte Servicekraft fragte: “Wie heißt Du denn?” Nicole antwortete leicht irritiert, aber wahrheitsgemäß “Nicole”. Die gut geschulte Servicekraft griff sich einen Becher, schrieb gut gelaunt “Nicole” auf den Becher und machte sich lächelnd an die Herstellung des Kaffees.

Sobald der Kaffee mit Haselnuß-Flavour fertig war, rief die Servicekraft lächelnd in die Weiten des weitgehend leeren Raumes “Nicole, dein Kaffee ist fertig!” Das ist ein sehr treffendes Beispiel dafür, wie mit guter Schulung aus einem, im Grunde vernunftbegabten Wesen, ein vollkommener, aber gut gelaunter, Idiot gemachen werden kann, der nur noch ein antrainiertes Verhaltensprogramm abruft.

In meinem letzten Beitrag ging es um Autos mit “Tugendterrormodulen”. Es ging um die These, dass unzählige Experten daran arbeiten, aus Menschen Maschinen zu machen. Wir sehen jetzt, dass im Servicebereich bereits Roboter arbeiten, die Menschen sind.

Dienstag, 5. Juni 2007

Ibiza im Mai

Auch ein Blogger fängt mal klein an -- Beirut-Damaskus zunächst nur mit dem Hinweis auf ein Landhotel auf Ibiza. Die Besitzerin hilft bei Restaurantempfehlungen und Clubhinweisen -- zur Pre-Season kann man aber die Insel so oder so vergessen (wenn man auf Party eingestellt ist ;-) Und ein erster Tip: das Grial von dem ich bis heute nicht weiß, ob es ein Schwulenclub ist oder nicht -- egal, die Musik ist klasse, man tanzt auf Betonfussboden, und ein völlig durchgeknallter Video-DJ schickt seine Bilder gen Abend- quatsch Morgenhimmel. Tut gut. Demnächst mehr

Freitag, 1. Juni 2007

Das Leben der Autos


Es ist wahr: Autos leben. Und das nicht erst seit gestern. Bereits im Jahre 1930 erschien im Berliner Malik-Verlag Ilja Ehrenburgs Roman “Das Leben der Autos”. Seit dieser Zeit sind Autos, mit jedem Jahr ein klein wenig lebendiger geworden. Neuerdings nervt mich das.

Im Schaufenster einer Fahrschule las ich vor Jahren den Werbespruch “Lkw und Pkw beleben unsere Straßen!” Das war ein sehr anspruchsvoller und existenz- philosophischer Gedanke, der dort in den profanen Dienst gestellt wurde, Menschen zu Führerscheinbesitzern zu machen. Mich plagt seither die Vision, wie es um unsere Straßen, Schnellstraßen, Umgehungsstraßen und Autobahnen – aber auch um die Stichstraßen, Sackgassen, Zubringer, Abfahrten, Ein- und Ausfahrten – bestellt wäre, hätten Gottlieb Daimler und Carl Benz nicht das Auto, sondern Schweizer Kräuterbonbons erfunden. All die schönen Straßen, nutzlos und verweist. Unbelebte, glatte, mit sauberen Mittelstreifen verzierte und von Leitplanken gesäumte Brachflächen – totes Gelände, inmitten blühender Landschaften.

Gottseidank wurde das Kräuterbonbon bereits kurz nach dem Rütlischwur von einem Schweizer namens “Ricola” erfunden. Gottlieb Daimler und Carl Benz hingegen konnten sich – wahrscheinlich inspiriert von all den wunderbaren Straßen – dazu durchringen, lieber das Auto zu erfinden. Das hat ihnen nicht nur eine Menge Ärger mit den Schweizern erspart, es hat auch viele Menschen in Brot und Arbeit gebracht, die jetzt als Ingenieure, Fließbandarbeiter, Kfz-Mechaniker und Fahrschullehrer damit beschäftigt sind, diese wunderbaren Straßen zu beleben.

Ich für meinen Teil, habe gerade letzte Woche ein Mobilitätsexperiment abgeschlossen, das darin bestand, vier Monate ohne Auto zu existieren. Ich habe mich dem quirligen Leben auf auf all den Straßen bewußt entzogen und mich auf die relativ unbelebten Areale der Fußgängerwege zurückgezogen. Das klappte ganz gut. Ich konnte dabei viele Erkenntnisse über das Zufußgehen und über den Öffentlichen Personennahverkehr sammeln.

Bei Mobilitätsengpässen allerdings lieh mir meine Freundin Walli ab und an ihren Volvo. Dabei merkte ich, dass Volvos inzwischen quicklebendige Autos geworden sind. Vorrausschicken sollte ich, dass die Personenkraftfahrzeuge der Marke Volvo bei mir noch nie positive Emotionen geweckt haben. Die Lastkraftwagen hingegen fand ich immer schon richtig schick. Volvos für den Privatgebrauch aber waren für mich so attraktiv wie die Mitteilungsbretter der Hausverwaltung in Eigentumswohnanlagen. Das verrückte ist: Der geliehene, quicklebendige Volvo war ein ebensolches Mitteilungsbrett.

Dabei waren und sind Volvos sehr beliebte Autos. In us-amerikanischen Filmen der 70er und 80er Jahre fuhren die Protagonisten sehr oft Volvo. Tauchte ein Volvo auf, dann wußte man, es gibt jede Menge interpersonellen Stress und Psychoencounter, aber keine Autoverfolgungsjagden. Woody Allan, so glaube ich fest, setzte Volvos als ironisierendes Stilmittel ein, um klarzustellen, dass seine Filme von den Ängsten und Problemen der us-amerikanischen Mittelschicht handelten. Einer dieser Filme hieß “Der Stadtneurotiker”.

Der von mir geliehene, quicklebendige Volvo entpuppte sich als waschechter Neurotiker. Kennzeichnend für Neurotiker ist, dass ihre Macken unkontrollierbar und automatisch ablaufen. Waschzwang zum Beispiel. Der von mir geliehene Volvo hatte gottseidank keine Phobien. Er scheute nicht vor Spinnen, Schlangen oder Menschen mit Regenschirmen und mied auch leere Plätze nicht. Dafür war er ein lupenreiner Zwangsneurotiker. Ich mußte nur die Zündung betätigen und schon wies mich ein Piepston darauf hin, dass ich den Sicherheitsgurt anlegen solle. Wohlgemerkt, ich fuhr nicht! Ich hatte noch nicht einmal einen Gang eingelegt! In Eigentumswohnanlagen stehen auf den Mitteilungsbrettern Anweisungen wie “Bitte nach 22 Uhr unnötigen Lärm im Treppenhaus vermeiden und die Haustür geschlossen halten!” Wieso eigentlich sollte ich unnötigen Lärm in Treppenhäusern veranstalten. Mache ich Lärm, dann ist dieser nötig. Ein Volvo piepst, bei unbotmäßigem Verhalten, rund um die Uhr. Ausserdem sendet er seinem Fahrer Anweisungen, die dieser gar nicht erhalten möchte. Beispielsweise dann, wenn sich auf dem Rücksitz jemand die Jacke auszieht und deshalb kurz den Sicherheitsgurt löst. Prompt wird das Radio leiser, ein akustisches Terrorsignal ertönt und im Display erscheint eine Warnung. Lieber Volvo, falls du mich hören kannst: Man kann es auch übertreiben.

Für einen Volvo ist der Fahrer ein unvernünftiges Mangelwesen, das durch Anweisungen und ein akustisches Erziehungsprogramm auf Kurs gebracht werden muß. Sollte die These stimmen, dass Maschinen menschenähnlich sind, sobald sie in der Lage sind psychische Defekte aufzuweisen, dann ist ein Volvo schon sehr lebendig.

Diese These stimmt aber nicht. Der lebendige Volvo, das ist, um Roß und Reiter zu nennen, das Werk der Ingenieure und der Marketingspezialisten von Volvo. Die Neurosen dieses Autos sind menschengemacht. Zwangsneurosen sind einfach zu programmieren. Programme sind, in ihrer einfachsten Form, der pure Zwang – die Neurose kann man ihnen dann leicht andichten. Solche Programme kennen kein “Wenn” und sie kennen kein ”Aber”. Den Zwang rauszunehmen, das wäre ein zu hoher und unwirtschaftlicher Aufwand. Da nimmt man es lieber in Kauf ganz normale und geistig gesunde Menschen mit neurotischen Akustiksignalen und sinnlosen Nachrichten zu quälen.

Besagte Freundin Walli erzählte mir kürzlich, sie habe in einer Talkshow den Begriff “Tugendterror” aufgeschnappt. Ich hörte ihr nicht weiter zu, was nicht so ungewöhnlich ist. Aber ich dachte: Tugendterror, das bringt vieles auf den Begriff, über das ich mir so meine Gedanken mache. Eben auch dieses Eigenleben der Autos. Volvos haben ein “Tugendterror-Modul”, mit dem sie rücksichtslos die Einhaltung der von ihnen gesetzten Normen erzwingen.

Ilja Ehrenburg schrieb 1930: “Das Auto ist gekommen, um den Uneinsichtigen zu beweisen, dass die Erde rund ist, dass das Herz nur ein dichterisches Requisit ist, dass der Mensch zwei Standardzähler in sich trägt: der eine zeigt die Kilometer, der andere die Minuten an.” Und er hat recht. Die Gefahr besteht nicht darin, dass Maschinen immer menschenähnlicher werden. Es ist umgekehrt. Zahlreiche Experten und Programme arbeiten daran, dass der Mensch den Maschinen immer ähnlicher wird. Das ist ähnlich verquert, wie die Geschichte von den Straßen, die belebt werden müssen.