Mittwoch, 23. Mai 2007

De Jean vum Newedisch – Entropie im Internet


“De Jean vum Newedisch” war einmal eine Kolumne in der Frankfurter Rundschau. Belanglose Gespräche, aufgeschnappt am Nebentisch, wurden auf ihren tieferen Gehalt untersucht. Nach dem Motto “Volkes Mund, tut Wahrheit kund!”, kam dabei so manche Perle zu Tage. Im World Wide Web gibt es heute unzählige Jean‘s und ihre Zahl nimmt täglich zu. Auch die Nebentische sind zahlreicher geworden. Im Web 2.0 wird die ganze Welt zum Nebentisch. Ein untrügliches Zeichen von Entropie.


Entropie ist ein schillernder Begriff, der mich schon lange fasziniert. Das Schillernde rührt daher, dass Entropie einen sehr abstrakten physikalischen Sachverhalt beschreibt, der sich alltagspraktisch allerdings sofort nachvollziehen läßt. Entropie ist – so eine der einfachsten Definitionen – das Maß für die spontane Zunahme der Unordnung im Raum. In der Spontaneität dieses Ablaufs liegt das Spannende. Nehmen wir mal mein Kinderzimmer im Jahre 1964. Betrachten wir dieses Zimmer als geschlossenes System. Ohne Zutun irgendeines lebenden Wesens, nahm in diesem geschlossenen System die Entropie spontan zu. Wenn mein Mutter dies bemerkte, sagte sie: “Du könntest mal wieder Staub wischen.”

Fügte man diesem geschlossene System mich hinzu, und würde ich wirklich nur spontan agieren – also nicht Staubwischen – nähme die Unordnung im Raum ebenfalls zu - und zwar schnell. Das ist, seit ich denken kann, meine Erfahrung mit Räumen, in denen ich mich befinde. Einige Zeit hat mich das als persönlicher Makel verfolgt und deprimiert. Seit ich weiß, dass dahinter ein universelles physikalisches Gesetz steckt, komme ich besser zurecht.

Interessant ist eine Methode, mit der man die Entropie kurzfristig in Griff bekommen kann. Meine Mutter war, ohne es zu wissen, Entropiespezialistin. Sie veranlasste mich, durch sanften Druck, die Entropie in meinem Zimmer nicht ausufern zu lassen. Sie benutzte dafür das Wort “aufräumen”. In physikalischen Begriffen formuliert, habe ich nicht aufgeräumt, sondern dem “System Zimmer” Information hinzugefügt: Legosteine in diese Kiste, Matchbox-Autos in die andere Kiste, Stofftiere aufs Bett, Klamotten in den Kleiderschrank oder in die Wäschebox – und Staubwischen. Information ist das einzige wirksame Mittel gegen Entropie. Bei ausufernder Entropie findet man nichts mehr. Fügt man einem Zimmer Information hinzu – was recht mühsam sein kann – weiß man, wo die Legosteine sind. Dass einem danach immer noch gelbe Zweier fehlen, steht auf einem anderen Blatt.

Man kann sich ein Leben lang abmühen und seinem Zimmer, seiner Firma, seinem Arbeitsplatz Information hinzufügen – in ganz großen Dimensionen gedacht, wird man scheitern. Die Experten sind sich da einig. Zimmer aufräumen nutzt nix. Am Ende wird das gesamte Universum an spontan zunehmender Unordnung zugrunde gehen. Es stirbt, so die Experten, den Wärmetod. Das ist übrigens auch schlecht für Eisbären.

Wenn man in Gesellschaft mal ein wenig angeben will und sich sibyllinisch ausdrücken möchte, dann kann man statt von Entropie, auch von Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik sprechen. Den Ersten Hauptsatz der Thermodynamik kennt im Grunde jeder. Nur in der Konversation spielt er meist keine Rolle, obwohl man damit gut Frauen anmachen könnte. Generationen von Physiklehrern haben seinen Ruhm begründet. In einfachem Schuldeutsch, handelt es sich um den Energieerhaltungssatz. Sprich: Zündet man mit einem Feuerzeug eine Zigarette an, dann steigt die Raumtemperatur. Oder: Bremst man sein Auto, schmilzt ein Gletscher. Die leicht mystische Form ist: Bläst man ein Kerze aus, dann stirbt ein Seemann. Das ist allerdings nicht bewiesen.

An der Thermodynamik ungemein interessant ist, dass es auch einen Nullten Hauptsatz gibt. Darauf möchte ich jetzt aber nicht eingehen. Für Leute, die bei belanglosen Gesprächen Eindruck schinden möchten, sei nur soviel erwähnt: Der Nullte Hauptsatz erklärt, warum ein Thermometer, das in Kontakt mit dem zu messenden Objekt steht, die Temperatur überhaupt messen kann. Man merkt schon, wie interessant Thermodynamik sein kann. Für Leute, die jetzt voll darauf abfahren, sei erwähnt, es gibt da auch noch einen Maxwellschen Dämon, der in dieser Sphäre sein Unwesen treibt.

Nach dieser kurzen Vorrede, zurück zu Jean und den Nebentischen: Werden die Nebentische zahlreicher und sitzt an jedem ein Jean, dann nimmt das Grundrauschen zu. Man weiß, an den Nebentischen wird gesprochen, aber man versteht nichts mehr. Das kann ganz gehörig nerven. Entropie ist nicht nur das Maß für die Zunahme der Unordnung im Raum, es ist auch das Maß für die Zunahme des Unwissens. Man weiß eben mehr über eine aufgerümte Schublade, als über eine unaufgeräumte. Nimmt die Entropie zu, dann nimmt das Wissen ab. Dafür bin nicht ich verantwortlich, das ist Physik. Web 2.0, das ist User-Generated-Contend, das sind Blogs, das sind Tag-Clouds und das ist Wikipedia. Nebentische über Nebentische. In der virtuellen Welt schreitet das Unwissen schneller voran, als in der wirklichen Welt. Das World-Wide-Web ist Vorreiter in Sachen Entropie. Schlaue Menschen kaufen sich ein Lexikon oder lesen Bücher.

Am Beispiel der Tag Clouds wird das deutlich: Tag Clouds sind im Grunde gewichtete Listen. Man kann auch “Wichtel-Listen” dazu sagen. Das was die Vielen interessiert, wird hervorgehoben. Das was hervorgehoben wird, interessiert die Nächsten. Dies führt zur weiteren Hervorhebung des Hervorgehobenen – kurz gesagt: zu Uniformität. Web 2.0 ist Herdentrieb pur. Dadurch verschwindet die Differenz, der Unterschied. Alles eine Soße.

Zweites Beispiel Wikipedia: Wikipedia-Inhalte sind frei. Sie werden kopiert und zitiert. Sucht man im Internet Informationen, dann steht häufig Wikipedia ganz vorne. Liest man die nachfolgenden Fundstellen, dann findet man oft Wikipediainhalte auf anderen Webseiten. Das entropische Kopieren ist insofern korrekt, als es darauf hinweist, dass die Inhalte aus Wikipedia übernommen wurden. Das Resultat ist trotzdem erschütternd. Man findet Wikipedia-Inhalte bei jedem weiteren Klick – schlauer wird man nicht.

Da Lob ich mir den alten Jean vom Nebentisch und eine gute Eckkneipe. Meine Prognose: Bevor der letzte Gletscher geschmolzen ist, wird das World-Wide Web den Wärmetod gestorben sein.

Montag, 21. Mai 2007

“Guanchen” in Straßenbahnen


“Guanchen" begegnen einem auf Schritt und Tritt – vorausgesetzt man befindet sich auf den kanarischen Inseln. Bewegt man sich im kontinentalen Teil Europas, dann sind “Guanchen” weitgehend unbekannt. Als Nutzer des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) ist mir noch nie einer in der Straßenbahn begegnet. Anders als beispielsweise Türken, Albaner, Serben, Kroaten, Usbeken, Ukrainer, Georgier, Russen und Weißrussen. Es scheint, als spiele der “Guanche" für die europäische Integration überhaupt keine Rolle. Wenn wir uns da nur nicht täuschen.

Straßenbahnen sind ein ganz eigenes Biotop. Nicht nur, weil man beim Anblick der Sitzbezüge unweigerlich an grellbunte Bakterienkulturen in Petrischalen denkt und sich wünscht, man hätte Latexunterwäsche an. Auch deshalb, weil sich dort die sogenannten Parallelgesellschaften von A nach B bewegen lassen. Als Leasingnehmer eines Wagens der gehobenen Mittelklasse hat man davon natürlich keine Ahnung. Als solcher bewegt man sich klimatisch konditioniert, satellitengestützt, mit Surroundsound und in selbstverschmutzten Sitzen. Aber in Straßenbahnen, da sieht die Welt ganz anders aus.

Die Parallelgesellschaften in Straßenbahnen - dieser Deutung will ich vorbeugen – bestehen nicht einfach nur aus Türken, Albanern, Serben, Kroaten, Usbeken, Ukrainern, Georgiern, Russen und Weißrussen. Sie bestehen aus weiblichen und/oder alten Türken, Albanern, Serben, Kroaten, Usbeken, Ukrainern, Georgiern, Russen und Weißrussen. Junge männliche Türken, Albaner, Serben, Kroaten, Usbeken, Ukrainer, Georgier, Russen und Weißrussen fahren meist dicke BMWs und hören Musik, die beim Eurovision Songkontest eine reele Siegchance hätte, die aber die deutschen Leasingnehmer eines Wagens der gehobenen Mittelklasse niemals hören würden. Die Parallelgesellschaften der weiblichen und/oder alten Türken, Albaner, Serben, Kroaten, Usbeken, Ukrainern, Georgiern, Russen und Weißrussen in Straßenbahnen wird komplettiert von älteren Deutschen, die in der Mehrzahl weiblich sind. Zu den, in der Straßenbahn beobachtbaren Parallelgesellschaften, gehören also neben weiblichen und/oder alten Türken, Albanern, Serben, Kroaten, Usbeken, Ukrainern, Georgiern, Russen und Weißrussen auch unsere älteren deutschen Mitbürgerinnen. Wie die da reingeraten sind, das ist eine ganz andere Geschichte. “Guanchen” jedenfalls sind keine Parallelgesellschaft – weder in Straßenbahen noch sonstwo.

Die “Guanchen” sind die Ureinwohner der Kanaren. Sie waren groß, blond, blauäugig aber dunkelhäutig. Sie lebten in Erdhöhlen, kleideten sich in Felle, kannten weder Rad, Pflug noch Boote, ernährten sich von geröstetem Getreide und hauten 1495 in der Schlacht von La Matanza den spanischen Eroberern kräftig auf die Nüsse. Ein Jahr später machten die Spanier Tabula Rasa und die Guanchen waren Weg vom Fenster. Die Bewohner der Kanaren finden das nach wie vor nicht richtig und hängen an ihren Ureinwohnern. Dabei heißen die meisten Bewohner der Kanaren mittlerweile Sanchez, Ruiz, Gimenez oder Blanes. Genaugenommen ist von den “Guanchen” kaum was übrig geblieben – außer der Verehrung, die ihnen auf den Inseln auf Schritt und Tritt zuteil wird. Die “Guanchen” sind auf den Kanaren sehr überbewertet. Im Rest von Europa sollte man die “Guanchen” trotzdem auf der Agenda haben. Ihre Art sich fortzubewegen war beispielsweise etwas ganz Besonderes.

Die “Guanchen” hatten ihre eigene Methode von A nach B zu gelangen. Bis 1495 benötigten sie dafür keine Straßenbahnen. Sie benutzten lange Stöcke und sprangen in der Art von Stabhochspringern von Hang zu Hang. Um sich dieses mühselige Geschäft etwas zu erleichtern, erfanden sie eine eigene Silbensprache, die aus Pfiffen bestand. Diese Sprache existiert heute noch und heißt “El Silbo”. Bevor der “Guanche” also von Hang zu Hang sprang, versuchte er erstmal seinem Gegenüber auf der anderen Talseite durch Pfiffe beizubringen, was Sache war. Klappte das nicht, oder war ein Schaf weggelaufen, dann kam der Stab zum Einsatz.

Ich war in den späten 90er-Jahren zum ersten Mal auf den Kanaren. Auf Gomera, im Valle Gran Rey, hörte ich zum ersten Mal “El Silbo” und erlebte Mitte Dezember den ersten deutsche Weihnachtsmarkt auf dieser Insel. Es gab einige Tapeziertische mit Fimobroschen, Strohsternen, Selbstgebackenem und anderem Tand. Anschließend spielte eine Gruppe, deren Musik von den ganz besonders magischen Erdstrahlen an diesem Ort inspiriert war. In diesen Tagen liefen mein Freund Eckart und ich jeden Morgen von unserer Unterkunft, am alten Hafen, zur Playe Ingles. Ein ganz flaches, gerades Stück, mehrere Kilometer lang. Wir hatten die Idee, dass eine Straßenbahn, den Tourismus an dieser Ecke der Welt entscheident nach vorne bringen könnte. Eine Trasse durch die Bananenplantagen wäre einfach zu bauen und die Fahrt zur Playa Ingles und zurück wäre fortan bequem und pitoresk.

Im Frühjahr 2007 war ich wieder auf den Kanaren. Die Hauptstadt Teneriffas, Santa Cruiz, war eine einzige Baustelle. Plakate verkündeten, dass die Straßenbahnlinien, der Grund für die Baumaßnahmen, rechtzeitig fertig sein würden. Allerdings viel zu spät für die “Guanchen”.

Man sollte an dieser Stelle hinzufügen, dass die “Guanchen” nicht nur blond und blauäugig waren, sondern recht tumbe und grobe Gestalten, die noch im 15. Jahrhundert auf ihren paar Inseln als neolithische Analphabeten lebten und sich gerne mit Tierfett einschmierten. Aus heutiger Sicht mag man sie mögen – vor allem dann, wenn man als Kanare wenig anderes, historisch Bedeutsames, vorzuweisen hat und sich jeden Sommer der Invasion der Aragonesen, Kastilier, Katalanen, Galizier, Anadalusier mit ihrer reichen Geschichte erwehren muss. In den neuen Straßenbahnen von Santa Cruz wären die “Guanchen” heute allerdings eine recht deutliche Parallelgesellschaft. Schon einige wenige “Guanchen”, ausgestattet mit einer Monatskarte und nach Tierfett riechend, würden dazu führen, dass die Kanaren ihre Einstellung zur eigenen Geschichte sehr schnell überdenken würden.

Um auf den Anfang zurückzukommen: Worin besteht also der Beitrag der “Guanchen” zur europäischen Integration? Erstens: Es ist ganz nett, sich an Mythen zu orientiren, aber Straßenbahnfahren hilft, um Mythen auf ihre Alltagstauglichkeit zu überprüfen. Zweitens: Straßenbahnfahren hilft auch, um über Parallelgesellschaften auf dem Laufenden zu sein. Drittens: Parallelgesellschaften mögen auf den ersten Blick Ausdruck eines kulturelle Unterschieds sein. Auf den zweiten Blick, sind sie nur der Ausdruck eines altbekannten Unterschieds: dem zwischen Arm und Reich. Arm fährt Straßenbahn, reich ist Leasingnehmer. Die “Guanchen” hatten Glück. Hätten die Spanier sie nicht ausgerottet, müssten sie heute und bis in alle Ewigkeit Straßenbahn fahren.

Das Foto stammt von Wikimedia Commons und steht unter Creative Commons Licence

Montag, 14. Mai 2007

Tag Cloud Lyrics


Kaum treibt man sich mal ein paar Tage zu einem Kurzurlaub in Second Life herum, schon hat man den nächsten Hype verpasst. Wolken sind flüchtig. Tag Clouds hingegen scheinen dauerhaft in der Welt der Websites hängen zu bleiben.

Fast hätte ich diese Wolke nicht bemerkt. Ich war noch gesättigt von Reportagen, Berichten, Prognosen, Statistiken, Stellungnahmen, Kommentaren und Visionen zu Second Life – da schnappte ich am Rande meiner Berufstätigkeit den Begriff “Tag Cloud” auf. Neue englische Begriffe machen mich immer und sofort hellhörig. Hört man einen englischer Begriff, eingebettet in einen deutschen Satz, dann spricht vieles dafür, dass man solch einen Begriff sobald nicht wieder los werden wird.

Tag Cloud, das ist eine treffende Wortschöpfung. Der Begriff drückt sehr direkt aus, was damit gemeint ist: “Eine Wortwolke (englisch tag cloud) ist die Methode zur Informations- visualisierung, bei der eine Wortliste zweidimensional alphabetisch sortiert angezeigt wird, wobei einzelne unterschiedlich gewichtete Worte größer oder auf andere Weise hervorgehoben dargestellt werden.” (Wikipedia)

Tag Clouds, so glaubt man nach dieser Definition, sind rational und praktisch. Dabei sind sie pure Poesie. Tag Clouds mögen darüber Auskunft geben, welche Begriffe in einem definierten Zeitraum häufiger gesucht und welche weniger nachgefragt waren – aber so betrachtet, sind sie vollkommen uninteressant. Wen wundert schon, wenn nach der Bürgerschaftswahl in Bremen die Tag Cloud von Spiegel Online die Nachrichtenlage des Tages erwartungsgemäß wiedergibt. Logisch, dass Bremen und Wahlergebnisse vollfett hervorgehoben sind – um das zu wissen, braucht es keine Tag Cloud.

Interessant wird es, wenn der Erwartungs- horizont der Suchenden unspezifischer wird. Die Tag Cloud eines namhaften deutschen Softwareherstellers bietet dafür ein schönes Beispiel. Plötzlich steht dort sex neben SOA, pussy neben security und porn neben profitability. Erstens fragt man sich, welcher “sap” (engl. Trottel) glaubt eigentlich, die Website eines deutschen Softwareherstellers würde außer Software auch noch Hardcore bieten. Da es sich um die englischsprachige Tag Cloud des namhaften deutschen Softwareherstellers handelt, hat man – mit einer etwas reservierten Haltung, dem amerikanischen Brudervolk gegenüber – eine Antwort schnell parat: Bush-Wähler. Zweitens aber, sieht man hier den interessanteren Aspekt der Tag Cloud: das Unwahrscheinliche geschehen lassen, das Disperate zusammenbringen, das Zufälligen bedeutsam machen.

Tag Clouds sind die Wiederauferstehung des Dadaismus, mit den Mitteln der Informationstechnologie. 1917 verfassten die Dadaisten Tristan Tzara, Walter Serner und Hans Arp, sogenannte „Simultangedichte“. Assoziativ und zufällig wurden dabei Worte zu Texten verbunden. Diese Schreibtechnik wurde später von den Surrealisten aufgegriffen und “automatisches Schreiben” genannt. Das Ziel dieser Methode: Die Akteure wollten dem Unbewußten zum Ausdruck verhelfen. Damit hofften sie, an die ursprünglichen und unverfälschten Eindrücke, Gefühle und Empfindungen zu gelangen. Die Ergebnisse des “automatischen Schreibens” wurden dem Publikum präsentiert, indem mehrere Texte simultan vorgetragen wurden. Was in diesen Rezitationen entstand, war nichts anderes als eine “Wortwolke”.

Tag Clouds sind im schlechtesten Falle unnütz. Im besten Fall, sind sie literarisch-dadaistische Kunstwerke. Das “automatische Schreiben” wird heute nicht mehr nur von einigen Wenigen betrieben, sondern ein Programm fasst das Schreiben von Hunderten, Tausenden oder auch Zehntausenden zusammen. Die bewußte – wenn auch privat, intim und individuell verfasste – Eingabe in die Suchmaske einer Website, wird zu einer kollektiven, öffentlichem Äußerung. Finden sich in der statistische Zusammenfassung einer Tag Cloud noch Spuren der bewußten Entscheidung des Einzelnen? Ist sie Ausdruck eines “gesellschaftlichen Bewußtseins”? Oder haftet ihr etwas von einem ominösen “kollektiv Unbewußten” an?

Keine Ahnung! Eines jedenfalls ist sicher: Das Ganze ist wieder einmal mehr, als die Summe seiner Teile. Wir wissen, dass wir mit hoher Geschwindigkeit unterwegs sind, aber wir wissen nicht wohin die Reise geht.

Tag Clouds finden sich inzwischen auch dort, wo man sie am wenigsten erwartet: Im “Spam”. Mein Freund Jochen hat mich vor einigen Tagen darauf aufmerksam gemacht, dass einige der Mails, die sich in meinem Spam-Ordner befanden, Poesie enthielten: Tag Cloud Lyrics. Hier ein – von mir leicht bearbeitetes – Beispiel:

CARBON RACE (WKN 15Q105)
NDGB.F
Letzter Kurs: 0,95
52W Spanne: 0,50 - 1,16


Responsive
but not
freakishly

Ich verstehe einfach
sein Lamentieren nicht.

Es geht nicht um umweltschutz,
sondern die formulierung eines gesetztes.

Finde sie geschmacklos.
Dieses seltsam anmutende
Headline des
Tagis vom 05.
If marketing is a profitable activity,
it still doesn't
mean that what it is
communicating to the universe
of buyers
is building the business.

Die Chaoten waren peinlich.
Wer wird da entwickelt?
Wenn Muslime
in einem stillgelegten Industrieareal
eine Moschee einrichtet
wird niemand hinschauen.

Ich verstehe einfach
sein Lamentieren nicht.

Werbung: Registriert und angemeldet sehen Sie diese Werbung nicht mehr.

Gargi sagt:
Der Klimawandel scheint
keinen Einfluss
auf das Kaufverhalten zu haben,
weiterhin werden vor allem grosse
und starke Fahrzeuge gekauft.
Und was ist jetzt das Problem der SVP-Politiker?

The analysts
who predict the future
success of a company
and then punish them
for falling short?
Marketers are constantly reminded
that more leads are needed.

Ich verstehe einfach
sein Lamentieren nicht.

Wer wird da entwickelt?
Ich empfinde es eher
als eine Art Wohnhaftierung
in einer Zivilisolation.

I can tell you that
it does take time
to use a nurturing approach,
but you will end up
with better and more
profitable relationships, whether
it be personal or professional.
It offers
15 luxurious guest rooms
and suites,
each with a private bath
and many with private decks.

Ich verstehe einfach
sein Lamentieren nicht.

In erster Linie waren es Jugentliche
die einfach ihrem Frust
freien Lauf lassen wollten.
In addition,
we can't ignore research
showing the average tenure
of a CEO is six years.

So eine Art Sodom und Comora.
Wie hat sich die Schuldenlast der
ehemaligen Kolonien entwickelt,
wie viel Prozent des Lebensmittelmarkts
sind in ihrer Hand?


Zum Vergleich ein Gedicht des Dadaisten Hans Arp:

te gri ri ri gri ti gloda sisi dül fejin iri
back back glü glodül ül irisi glü bü bü da da
ro ro gro dülhack bojin gri ti back
denn
berge mit eingebauten lärmapparaten
apportieren erzene schmetterlinge


Mit Bert Brecht schließen wir: “Der Vorhang zu und alle Fragen offen.”

Mittwoch, 9. Mai 2007

Good News, Bad News - ein Abend mit Joseph Weizenbaum


Das Buch “Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft” von Joseph Weizenbaum hat mich vor 25 Jahren sehr beeindruckt. Im Februar 1982 habe ich es gelesen. Heute, am 9. Mai 2007, hat der inzwischen 84jährige emeritierte Professor des Massachussets Institute of Technology einen Vortrag in Mannheim gehalten. Das hat mich gefreut, und es hat mich nachdenklich gemacht.

Ob der Eindruck des zerstreuten Professors, ein vom Redner gewolltes dramaturgisches Element oder tatsächlich dem Alter geschuldet war, kann ich nicht beurteilen. In der Gerontogie gibt eine These, die besagt, dass alte Menschen Strategien entwickeln, die ihre Leistungsfähigkeit erhalten. Eine dieser Strategien ist “Optimierung”. Joseph Weiszenbaum hat seine Vortragstechnik in dreifacher Hinsicht optimiert. Sie entspricht den Vorurteilen des Auditoriums gegenüber zerstreuten Professoren, sie entspricht den Vorurteilen gegenüber alten Menschen und sie ist unterhaltsam. Professor Weizenbaum hat sein Publikum dort abgeholt, wo er es erwarten konnte.

Der letzte Aspekt – der unterhaltsame – hat mich nicht überrascht. Als us-amerikanischer Professor muß man das können. Der Vortrag schien vollkommen improvisiert. Kleine launige Bemerkungen zu den Gastgebern, Eloquenz im Umgang mit dem Anlaß der Rede, kurze Bezüge auf das Thema “Gestaltung”, ohne genaue Festlegung, und dazwischen Selbstgespräche, über das, was man eigentlich sagen oder nicht sagen will. Allerdings hatte ich die kleinen Anekdoten, die er einstreute, bei meiner Recherche im Internet bereits gelesen. Da ist die, von seiner kleinen Tochter, die ihn fragte, wie spät ist sei. Und dann gleich ergänzte: “Ich möchte einfach nur wissen, wie spät es ist, ohne dass du mir dabei die Uhr erklärst.”

Nach fünfundzwanzig Jahren erhielt ich an diesem Abend die weitgehend kurzweilige Kurzfassung eines Buches, das ich vor fünfundzwanzig Jahren mit Interesse, aber auch mit Geduld und Akribie, gelesen habe. Joseph Weizenbaum hat sich angestrengt einen optimistischen Vortrag zu halten. Das gut gemachte Entertainment hat das unterstützt. Aber die Botschaft war trotz allem – oder gerade deswegen – sehr pessimistisch. Menschen tun, was in ihren technologischen Fähigkeiten liegt. Die Frage nach den Konsequenzen - den Folgen ihres Tuns – findet nur in einem Randbereich ihrer grauen Zellen statt. Menschen tun, im Namen des naturwissenschaftlichen Paradigmas, was in ihren ökonomischen, politischen, persönlichen Interessen liegt. Das war, kurzgefasst, die Warnung von Joseph Weizenbaum, in “Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft”, und in seinem heutigen Vortrag. er hat dies in eine weitere kurze Geschichte gefasst: Ein Flugzeug fliegt fern von jedem Flughafen über den Pazifik und der Pilot macht eine Durchsage an die Passagiere: “Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für sie. Die gute Nachricht: Wir haben Rückenwind und fliegen mit 1800 Stundenkilometern. Die schlechte Nachricht: Alle Instrumente sind ausgefallen und wir wissen weder wo wir sind, noch wohin wir fliegen."

Die Entwicklung seit der Veröffentlichung von “Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft” macht ihn zum Propheten. In gewisser Weise aber auch zum Narren. Alles was er prophezeit hat, ist eingetreten. Auch wenn er es sich wünscht – ein Ende dieser sich erfüllenden Prophezeiungen ist nicht absehbar. Da hilft auch der von ihm zitierte tröstende Satz von Elie Wiesel nicht, dass man an das “undenkbare glauben muß.” Joseph Weizenbaum, mir und allen anderen wünsche ich, dass es immer mehr Menschen gibt, die durchsetzen, was nötig ist. Bisher setzt sich stattdessen all das durch, was möglich ist – im Namen von Geld, Macht, Technologie und naturwissenschaftlichem Fortschrittsmythos.

Einen seiner schönsten Sätze hat er an diesem Abend nicht gebracht. Der lautet: “Ich bin kein Computerkritiker. Computer können mit Kritik nichts anfangen. Ich bin Gesellschaftskritiker.”

Weitere Bücher zu diesem Thema:

  • Arthur Koestler: Die Wurzeln des Zufalls
  • Paul Feyerabend: Erkenntnis für freie Menschen
  • Günther Anders: Die Antiquiertheit des Menschen
  • Paul Virilio: Geschwindigkeit und Politik
Weitere Informationen im Web:

Dienstag, 8. Mai 2007

Sind Nordfriesen langsam, oder nur wortkarg?


Mit Nordfriesland verbindet mich ein einziger Besuch, der viele Jahre zurückliegt. Ich bin nie wieder dort gewesen. Erst seit ich über die langsamen Berner nachdenke, erinnere ich mich wieder an die Nordfriesen. Wenn auch dieser Besuch im Norden nicht nur positive Erinnerungen weckt, möchte ich die Nordfriesen, im Rückblick, nicht ungerecht beurteilen. Während der Jahrmillionen, in denen sich die Schweizer von ganz alleine aufbauschten, mussten die Nordfriesen Dämme bauen und ihr Land dem “blanken Hans” entreißen.

Für ein Winterwochenende hatte ich mit meinen Freunden Markus und Uli ein Haus in Sankt Peter-Ording gemietet. Das Ferienhaus stand direkt am Deich. Vom Meer war nichts zu sehen. Aus Sicherheitsgründen war dies – wir konnten es vor Ort unschwer nachvollziehen – durchaus wünschenswert. Wir hätten aber doch lieber die Horizontlinie der Nordsee gesehen, statt des graugrasigen Deichabhangs. Was wir an diesem ersten Abend noch nicht wussten: Auch ohne Deich, hätten wir das Meer nur selten zu sehen bekommen. Die Ebbe entzieht es stundenlang den Blicken der Küstenbewohner und auch denen der auswärtigen Gaffer. Selbst bei Flut ist es meist nicht so richtig da. Es muss schon eine Springflut kommen, damit sich richtig was bewegt.

Etwas enttäuscht von unserem Haus am Deich, brachen wir am frühen Abend zu einem ausgedehnten Restaurant- besuch mit Pils, Korn, Krabben und Filets von Salzwiesenlämmern auf. Eine Stunde später waren wir wieder zurück. Alle Restaurants hatten geschlossen. Nur ein einziges kleines Lokal hatte noch offen und erlaubte uns eine Bestellung zu platzieren. Wir waren die einzigen Gäste und die Küche war fast geschlossen. Für jeden gab es noch einen Fisch, noch eine Beilage und nur noch ein Pils. Wieder zurück in unserem Haus ohne Ausblick, war uns klar: Die Gegend ist so tot, wie eine trockene Qualle am Strand.

“Tot”, das ist die ultimative Steigerung von “langsam”. Erst kommt “langsam”, dann kommt “langsamer”, danach kommt “tot”. Und danach kommt nichts mehr. Es gibt Menschen, die bezeichnen ein kohlensäurehaltiges Getränk, das keine Kohlensäure mehr enthält, als “tot”. Sie schauen es dabei mitleidig an und wenden sich ab. Bisher habe ich diesen Zustand als “alt”, “lasch”, “lax”, “fad” oder “schal”, im Sinne von “ohne Geschmack”, bezeichnet – und manchmal trotzdem getrunken. Jetzt, da ich weiß, dass dieses Getränk tot ist, werde ich mich hüten.

“Tot” ist der Superlativ von vielen weiteren Zuständen. Denken wir nur daran, dass der Schlaf als “großer Bruder” des Todes bezeichnet wird. Oder an den Satz, “Jeder Abschied, ist ein kleiner Tod.” Im Sport gibt es den Begriff “sudden death”. Eine Leitung ohne Verbindung ist “tot”. Nach einem anstrengenden Tag ist man “tot”. Da liegt es auf der Hand, dass “tot” keine Steigerung erlaubt. “Toter” als “tot”, das gibt es nicht. “Am Totesten” schon gar nicht. Aber da gleiten wir jetzt ins Philosophische - dabei geht es lediglich um Nordfriesland und die Nordfriesen.

Nordfriesland ist im Winter definitiv tot. Die Bewohner sind es ganz sicher nicht. Hätte uns ein toter Kellner und ein toter Koch einen toten Fisch, mit gedünsteten Beilagen und einem guten Pils servieren können? Natürlich nicht. Wäre die Frage “Sind Nordfriesen tot, oder nur wortkarg?” interessant? Ebenfalls nicht. Es geht darum, ob sie “langsam” oder “wortkarg” sind.

An unserem zweiten Tag in Sankt Peter-Ording tranken wir Pharisäer und gingen im Watt spazieren. Danach tranken wir nochmal Pharisäer und spazierten über eine Sandbank. Zum Abschluß tranken wir einen Pharisäer. Am späten Abend wollten Markus und ich noch etwas unternehmen. Uli hatte bereits resigniert. Er blieb hinter dem Deich im Haus mit einem Buch. Markus und ich fuhren durch das menschenleeren Sankt Peter-Ording. Auf der Suche nach einem kleinen Licht, das uns die Geselligkeit einer nordfriesischen Pilsstube hätte verkünden können, bewegten wir uns wie in einem dunklen Tiefseegraben. Wir erwogen die Möglichkeit, in die nächste größere Stadt zu fahren. Da sahen wir, einige Meter entfernt, einen Nordfriesen, der die Straßenseite wechselte. Wir fuhren hin, und stellten ihm die einzige uns bewegende Frage: "Wo gibt's noch was zu trinken?”

Nordfriesen, das sollte man wissen, können mit nur einem Wort, alles Wichtige sagen. Dieses eine Wort heißt “Moin”. Der typische Ablauf eines nordfriesischen Gesprächs ist standardisiert:

Erster Nordfriese: “Moin” – danach Pause.
Zweiter Nordfriese: “Moin Moin” – danach bis zu 24-Stunden Pause.


Dieser Dialog findet ohne hörbare Satzzeichen statt. Erstaunlich ist, dass diese Sätze zu allen Tages- und Nachtzeiten vollkommen unverändert gesprochen werden. Nordfriesen handeln seit Generationen instinktiv nach einem Postulat des österreichischen Philosophen Ludwig Wittgenstein: “Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen; und wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen”. Mit “Moin” und “Moin Moin” ist alles, was sich sagen läßt, gesagt. Selbst wenn wir “Zugereiste” es nicht verstehen. Ein Wert lässt sich, nach Wittgenstein, nicht aussprechen, höchstens „erschweigen“. Die Nordfriesen wissen das. Sie wissen auch, “daß wir den Gebrauch unserer Wörter nicht übersehen” und dies “eine Hauptquelle unseres Unverständnisses” (Wittgenstein) ist.

Im Westerwald gibt es übrigens eine ähnliche, wenn auch nicht ganz so strenge Einsicht. Der Westerwälder sagt: “Wir reden nicht von Dingen, die uns durcheinanderbringen!” Über was der Westerwälder tatsächlich redet, weiß ich nicht, da ich noch nie dort war. Der einzige Westerwälder, den ich kenne, hält sich absolut nicht an diese Volksweisheit – aber dieser Mensch behauptet auch Schwede zu sein.

Die Nordfriesen übersehen den Gebrauch des Wortes “Moin” vollkommen. Während sie ihre Aufmerksamkeit auf den Deich, den Trecker, die Kuh, das Pils oder den Korn richten, ist auf der verbalen Ebene eine Beiläufigkeit festzustellen, die weltweit beispiellos ist.

Einem dieser Nordfriesen hatten wir also eine Frage gestellt. Hätte er mit “Moin” geantwortet, wären wir komplett aufgeschmissen gewesen. Der Nordfriese vermied die unübersehbaren Konsequenzen einer Antwort. Er sagte nichts. Er hob seinen rechten Arm, deutete mit seinem Zeigefinger in Fahrtrichtung, bog den Zeigefinger nach links ab und bewegte zum Abschluß den ganzen Arm in diese Richtung. Damit war alles getan und er setzte seinen Weg fort.

Tatsächlich fanden wir, mit diesen knappen Angaben, ein Licht. Wir parkten, traten ein und sofort erstarb jedes Gespräch. Wir können nicht beschwören, dass es überhaupt Gespräche gegeben hat. Jedenfalls starrten uns alle an. Im Gastraum waren rund zehn Personen. Die Hälfte davon saß an der Bar. Die andern an den Tischen, teilweise auch allein vor ihrem Deich, Trecker, Korn oder Pils. Der ganze Raum war mit Nut- und Federbrettern ausgekleidet. Sogar die Decke. Die ganze Dekoration war auch noch geflammt. Der Norden war plötzlich im Wilden Westen – oder kondensiert, im Bild eines Partykellers der späten 60er-Jahre. Selbst ein Wirt war anwesend, der wie alle anderen schwieg. Alle starrten uns an. Ihre Gedanken standen wie der Bierdunst in der Luft: “Fremde sind in der Stadt!” Wir tranken schweigend ein Bier und fuhren zurück in das Haus am Deich.

Am folgenden Tag aßen wir Mittags ein Salzwiesenlammfilet. Auf dem Weg zum Jever-Leuchtturm, gab es Nordseekrabben an einem Kiosk. Am Abend blieben wir im Haus am Deich.

Nach diesen langen Jahren, in denen Nordfriesen keine Rolle in meines Gedanken gespielt haben, kann ich die mir selbst gestellte Frage eindeutig beantworten: Nordfriesen sind nicht langsam. Wenn die Küche schließt, servieren sie eine toten Fisch in Windeseile. Das Pils steht kurz nach der Bestellung wortlos auf dem Tresen. Auf Fragen reagieren sie wortlos, schnell und präzis. Nordfriesen sind auf ihre Art unglaublich “though” – aber man sollte sie nicht im Winter besuchen.

Das Foto stammt von Wikimedia Commons und steht unter Creative Commons Licence

Freitag, 4. Mai 2007

“Der Mann mit der Mütze” und der “Märitsalat”


Die Bewohner der Stadt Bern, so sagt man, seien langsam. Vor einigen Monaten hatte ich Gelegenheit dies persönlich zu überprüfen. Berner sind wesentlich langsamer als Berliner. Sie sind ungefähr so schnell, wie die Menschen aus Sankt Peter-Ording


Eine Freundin erzählte mir gestern, sie sei auf einem Konzert von Helge Schneider gewesen. Helge Schneider habe auf diesem Konzert behauptet, die Schweiz gäbe es nur wegen der Tektonik der Kontinental-
platten und hätte sich deswegen erst kürzlich “aufgebauscht”.

In der Tat triftete vor zirka 130 Millionen Jahren die afrikanische Kontinentalplatte nach Norden und trieb die adriatische Platte wie einen Sporn in unsere europäische Heimatplatte. Was sich in der Folge ganz langsam aufbauschte ist heute – neben Österreich, dem Kaukasus und dem Himalaya – die Schweiz. Die Schweiz ist damit – und das sollte man wissen – wesentlich jünger als der Rest Europas – außer Österreich.

Besucht man Bern, dann hat man diese Aufbauschung als Tatsache vor Augen. Die “Innere Stadt” – die Altstadt von Bern – liegt in einer Flussbiegung der Aare, die hier eine abrundtiefe Schlucht bildet. Über diesen Abgrund führen nur drei Brücken. Nähert man sich der Altstadt und fährt über eine dieser Brücken, dann denkt man unwillkürlich “Wow, das bauscht sich hier aber mächtig auf!" – und dabei hat man auch etwas Sorge, in den Abgrund der Erdgeschichte zu stürzen.

Bei meinem Besuch in Bern war ich mit einer kleinen Reisegruppe unterwegs – genauer gesagt der kleinstmöglichen Reisegruppe überhaupt: Wir waren zu Dritt. Wir fanden die Altstadt von Bern ganz putzig. Es gibt hier einen “Kindlifresserbrunnen”, der das Abgründige in der Berner Volksseele zu symbolisieren scheint. Ein Volk, das plattentektonisch so schnell aufgestiegen ist, muss sich seiner Abgründe ständig vergegenwärtigen. Vielleicht gehört die Berner Altstadt wegen dieser “Putzigkeit” auch zum Weltkulturerbe der UNESCO. Das Putzige rührt daher, dass alle Straßen und Bauwerke in diesem Stadtteil irgendwie historisch aufgemöbelt, aufgehübscht, aufgetakelt und aufgeräumt erscheinen. Wirklich hübsch, aber eben doch ein wenig aufgebauscht.

Bern ist – nebenbei bemerkt – nicht die Hauptstadt der Schweiz. Bei einer Einwohnerzahl, die der Heidelbergs entspricht, wäre dies auch ein wenig übertrieben. Dass Bern keine Hauptstadt ist, liegt allerdings nicht an den Bernern. Es liegt am Rest der Schweiz. Der Rest der Schweiz gönnt keiner Stadt, dass sie sich als Hauptstadt aufbauscht. Deshalb ist Bern, durch eine Entscheidung der Eidgenössische Bundesversammlung, seit 1848 einen sogenannte “Bundesstadt” – und nicht die Hauptstadt. Bern ist Hauptstadt de facto, aber nicht de jure. Die geopolitische Bedeutung von Bern wird aber dadurch entscheident aufgewertet, dass diese Stadt seit 1874 Sitz des Weltpostvereins ist. Sie hat ein Weltpost-Denkmal und ein Welttelegrafen-Denkmal. Auch dies lässt gewisse Rückschlüsse auf die Schnelligkeit der Berner zu.

Bei unserem abendlichen Streifzug durch Berns “Innere Stadt” konnten wir feststellen, dass die Berner in einer einzigen Sache sehr schnell sind: im Schließen von Lokalen. Nach dem Abendessen, es ging gegen Mitternacht, wollten wir uns noch etwas aufmöbeln und einen “Schlummerpunsch” nehmen. Die Bar in unserem Hotels war bereits geschlossen. Das zweite Lokal war de facto noch offen. Aber aus Mangel an Gästen schwitzte es eine Traurigkeit aus, die uns zum sofortigen Rückzug veranlasste. Bei der Suche in Berns putzigen Gassen fanden wir schließlich eine Hotelbar, die noch offen hatte.

Das Licht war hell, die Möblierung alpin-rustikal und die noch anwesenden Gäste waren zünftige Berner Stammgäste. Offensichtlich ist diese Bar seit 130 Mllionen Jahren ein Geheimtipp für nachtaktive Berner, im fortgeschrittenen Alter. An den Wänden hingen bemerkenswerte Gemälde, die an Pieter Brueghel den Älteren erinnerten. Allerdings waren alle Akteure auf diesen Gemälden Bären. Bären, die um roh gezimmerte Tische saßen und sich mit Krügen zuprosteten. Bären, die mit Laternen durch die Nacht liefen. Bären, die alles Mögliche taten – bemerkenswert und putzig.

Am Eingang der Bar stand eine Wurlitzer Musikbox. So etwas hatten wir seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen. Die Stammgäste warfen fleißig Räppli in diese Maschine. Auch die Songs, die ertönten, hatten wir seit Jahrzehnten nicht gehört. Diese Songs lieferten den eindeutigen Beweis dafür, dass in Bern die Uhren anders gehen. Es gibt nach meiner festen Überzeugung ausserhalb der Schweiz, keine Musikbox mehr, in der man “Der Mann mit der Mütze” von Udo Jürgens hören kann. Dieses Lied ist eine Hommage an Helmut Schön, der von 1964 bis 1978 Trainer der Deutschen Fußballnationalmannschaft war. Udo Jürgens schrieb dieses Lied nach dem Rücktritt von Helmut Schön. Der Refrain lautet:

“Der Mann mit der Mütze geht nach Haus.
Die lange Zeit des Langen, sie ist aus.
Der Mann mit der Mütze geht nach Haus.
Und uns're Achtung nimmt er mit -
und unseren Applaus.”
Helmut Schön gehörte nie zu den Schnellen. Er war eher bedächtig, langsam und blieb sehr lange im Amt. Es sei ihm gegönnt, dass irgendwo in Bern noch eine Wurlitzer Musikbox steht, die langsamen Bernern das hohe Lied des langsamen “Langen” singt. Langsam sollte ich allerdings die Sache mit dem Meretsalat erklären.

In dieser Hotelbar gab es eine Getränke- und Speisekarte, auf der sich leider keine Cocktails fanden. Cocktails sind in Bern vermutlich noch relativ unbekannt. Wir tranken deshalb Weißwein, Bier und Mineralwasser. Angeboten wurde in der Rubrik “Speisen für den eiligen Gast” – man beachte die feine Ironie – ein Märitsalat. Wir bestellten ihn nicht, weil wir weder in Eile noch hungrig waren. Gesättig wie wir waren, fragten wir nicht einmal, was ein Märitsalat ist.

Bis heute wissen wir es nicht genau. Der Berner kommt wahrscheinlich erst in 130 Millionen Jahren dazu, den Märitsalat im Internet zu erklären. Gegoogelt liefert “Märitsalat” insgesamt 92 Einträge. Dabei handelt es sich um die Speisekarten und Wochenmenüs von Berner Restaurants. Rätselhaft bleibt, was genau ein Märitsalat ist. Meine Reisebegleiterin Nicole vermutete, es könnten Blatt- oder Marktsalat sein. Da die Website der Stadt Bern behauptet, “der Bärner Märit” biete bereits “seit Jahrhunderten Woche für Woche Erlebnisshopping”, und dazu das Bild eines Marktstands mit frischem Gemüse veröffentlicht, ist das eine ganz heiße Spur.

Wenn es in der Tat so ist, dass der Bärner Märit seit Jahrhunderten Erlebnisshopping bietet, dann ist das eine plausible Erklärung, für die Langsamkeit der Berner: Der Berner ist seiner Zeit weit voraus. Er kann es sich leisten, langsam zu sein. Mit Erlebnisshopping seit Jahrhunderten ist er uneinholbar für den Rest der Welt. Wir erinnern uns: Kein Land Europas hat sich so schnell aufgebauscht, wie die Schweiz – außer Österreich.

Trotzdem wären wir sehr dankbar für Hinweise auf die Beschaffenheit und die Zutaten zum Märitsalat. Gäbe es eine Wurlitzer Musikbox in Deutschland, die “Der Mann mit der Mütze” noch spielt, würden wir auch das gerne wissen.

Das Foto stammt von Frederic Pasteleurs und steht unter Creative Commons Licence.

Mittwoch, 2. Mai 2007

Weshalb Bootsbesitzer fein raus sind und junge Enten nicht von Bäumen fallen


Bootsbesitzer haben es besser als man denkt. Enten auch – aber aus etwas unterschiedlichen Gründen. Eine ethnografisch-ornitologische Notiz.

Seit drei Jahren bin ich Bootsbesitzer. Langsam merke ich, wie gut mir das tut. Bisher war das eher lästig. Um ein Boot muß man sich kümmern. Wo bewahrt man es auf? Wie bekommt man es ins Wasser? Wo bleibt es im Winter? Mit einem Boot im Gepäck, muss man allerhand Sachen beachten und vorausplanen.

Mein Boot ist rund vier Meter siebzig lang. Gemeinsam mit einem Freund, habe ich es im Gebrauchtboothandel günstig erstanden. Es hört auf den schönen Namen “Mohawk”, ist ein Kanu, und die Farbe ist eher häßlich.

Vier Meter siebzig machen mehr Arbeit, als man glaubt. Fährt man unglücklicherweise ein Cabrio, so wie ich, dann fangen die Schwierigkeiten damit schon an. Um ein Kanu zu transportieren, muss man als Cabriofahrer in seinem Freundeskreis nette Menschen haben, die bereit sind das Auto zu tauschen und die zudem noch einen Dachgepäckträger haben. Ist diese Hürde überwunden, dann braucht man noch einen weiteren netten Menschen, der beim Auf- und Abladen hilft. Und wenn es ganz toll laufen soll, braucht man einen weiteren netten Menschen, der mit Paddeln gehen will. Derjenige könnte im Idealfall auch mit auf- und abladen helfen.

Man braucht also eine ganze Reihe netter Menschen, damit man so ein Boot einmal vom Trockenen ins Wasser und zurück bekommt. Will man das mehrfach während der Paddelsaison schaffen, braucht man einen ganz schön netten Freundeskreis.

Warum ich als Bootsbesitzer trotzdem fein raus bin, ist mir erst in diesem sonnigen April klargeworden. Hat man die lästigen, logistischen Details einigermaßen im Griff, so kann man als Bootsbesitzer gut neuundneunzig Prozent der deutschen Bevölkerung, ohne große Anstrengung, hinter sich lassen. Als Bootsbesitzer habe ich das Privileg, an Orten zu sein, die Nicht-Bootsbesitzern auf ewig verschlossen bleiben werden. Es gibt natürlich auch noch gute Schwimmer, die es mit Bootsbesitzern aufnehmen könnten. Aber auf der kleinen Insel, in den Rheinauen, die meist das Ziel meiner Bootsausflüge ist, läßt sich kein guter Schwimmer sehen.

Die Ruhe und Abgeschiedenheit dieser kleinen Insel, die nur Bootsbesitzern und – theoretisch – auch guten Schwimmern zugänglich ist, bietet also genügend Gelegenheit zur Muße. Als Bootsbesitzer paddle ich ja nicht ständig durch die Gegend. Im Gegenteil. Ich paddle immer erst einmal zur Insel, lade meine Kühltasche und das andere Gepäck aus, hänge Hängematten in die Bäume und gebe mich meinen Gedanken und Beobachtungen hin.

Als Bootsbesitzer beobachte ich gerne andere Bootsbesitzer. Darin, so meine erste Beobachtung, unterscheide ich mich nicht von anderen Bootsbesitzern. In dieser Hinsicht sitze ich, ob ich will oder nicht, mit allen anderen Bootsbesizern auf diser Erde in einem großen Boot.

Nach einer Weile des Beobachtens stellt sich jedoch heraus: Bootsbesitzer ist nicht gleich Bootsbesitzer. Da gibt es einmal die Kajakfreaks. Ein solcher bleibt immer nur kurz auf Inseln. Kajakfreaks sind hypermobil, sportlich, riechen aber untenrum schlecht. Wenn sie auf meine Insel kommen, pellen sie sich aus ihrer Gummipersenning, lüften kurz den Unterleib und weiter geht es rheinabwärts.

Motoryachtbesitzer sind da ganz anders. Motoryachtbesitzer fahren ihre Motoryacht aus dem Hafen und ankern maximal fünf Seemeilen von ihrem Heimathafen entfernt. Vor meiner Insel liegen deshalb auch immer einige Motoryachten. Ein Motoryachtbesitzer käme nie auf die Idee, eine Insel zu besuchen. Motoryachtbesitzer ankern an einer schönen Stelle, und dann verhält er sich so, als sei er nicht Zuhause. Motoryachtbesitzer können stundenlang unterm Sonnensegel auf ihrem Boot sitzen, trinken und schweigen. Sie hören auch keine Musik – sie ankern, trinken, schweigen, lichten den Anker und fahren heim. Für das Inselleben eine recht erfreuliche Erscheinung.

Auch Segelyachtbesitzern käme es nie in den Sinn meine Insel zu besuchen. Segelyachtbesitzer sind im Vergleich mit Motoryachtbesitzern eindeutig der aktivere Menschenschlag. Segelyachtbesitzer segeln oder sie sind auf der Suche nach Wind. Ankern, trinken, schweigen, Anker lichten, heimfahren liegt ihnen nicht. Mit Wind segeln sie an meiner Insel vorbei. Gibt es keinen Wind, dann tuckern sie mit Motor über den Altrhein, in der Hoffnung, eine kleine Brise zu finden, die ihrem Seglerdasein eine Berechtigung verschafft. An Bord von Segelyachten sind oft Menschgruppen, die trotz Flaute eine kleine Sause veranstalten. Da sie nur vorbeituckern oder mit Wind vorbeifliegen, stört mich das nicht sonderlich in meinen Gedanken und Beobachtungen.

Jollensegler hingegen besuchen manchmal meine Insel. Sie tun das nicht aus Interesse an Inseln, sondern aus Langeweile. Der Grund für ihren Besuch hat einen Namen: Flaute. Sie flätzen dann eine halbe Sunde am Ufer rum, warten auf Wind und stürtzen sich dann wieder in die gleiche Flaute. Segeljollenbesitzer haben wenig Geduld und keinen Motor. Wenn sie ohne Wind auf dem Wasser treiben, stellt sich Langeweile ein. Wenn sie auf Inseln rumsitzen, dann ist das für sie auch nicht interessanter.


Speedbootbesitzer und Jetskibesitzer – die lästigste Form der aquamobilen Bevölkerungsgruppe – stellen im Grunde kein Problem dar. Da um meine Insel eine Geschwindigkeitsbegrenzung aus Naturschutzgründen gilt, tauchen sie nur selten auf. Und wenn sich einer in diesen Altrheinarm verirrt, dann tuckert er nur potenzreduziert protzend kurz vorbei. Häufige Gäste auf meiner Insel sind hingegen andere Kanuten – denen eine natürliche Affinität zur Rast auf Inseln gegeben zu sein scheint – und mutige Individualisten in seltsamen Bootskonstruktionen (siehe Bild). Gerade letztere verbringen gerne auch Mal einen ganzen Nachmittag auf meiner Insel.

Alles in allem bin ich, wie man sieht, auf dieser Insel ungestört. Die Beobachtung anderer Bootsbesitzer ist keine Beschäftigung, die ganze Tage füllt. Fische beobachten ist schwierig, da das Wasser zu trüb ist. Was bleibt ist die Vogelbeobachtung. Ich bin, das möchte ich anmerken, kein ambitionierter Vogelbeobachter, auch kein Hobby-Ornitologe. Vögel sind mir ziemlich egal. Viel interessanter fände ich Bieber, Waschbären, Ottern, Wale oder Krokodile. Aber auf Altrheininseln finden sich diese Tierarten nicht zur Beobachtung ein.

Vögel hingegen drängen sich regelrecht auf. Gerade weil ich Vögel nicht besonders mag, entdecke ich bei dieser uninteressiert beiläufigen Beobachtung, Dinge, die demjenigen verschlossen blieben, der ein übermäßiges Interesse an Balzverhalten, Brutpflege oder Gesangsdarbietungen an den Tag legte. Wie Bootsbesitzer, haben Vögel die Möglichkeit Orte zu erreichen, die Nichtbootsbesitzer niemals erreichen könnten – auch Fische haben damit übrigens Schwierigkeiten. Fische sind, genau betrachtet, wie Nichtbootsbesitzer. Der Nichtbootsbesitzer ist gezwungen an Land zu bleiben, der Fisch ist ans Wasser gefesselt. Fliegende Fische sind so etwas ähnliches, wie gute Schwimmer. Aber zurück zu den Vögeln.

Auf meiner Insel ist ein ziemliche Kommen und Gehen, was Vögel betrifft. Präziser gesagt, ein ständiges Starten und Landen, Anlegen und Ablegen. Manchmal putzt sich am Strand ein giftiger Schwan. Wildgänse stehen rum. Kormorane fliegen vorbei. Reiher stehen einbeinig am Ufer. Ganz zu schweigen von all den Finken, Drosseln und Meisen, die durch die Zweige zwitschern. Außerordentlich unangestrengt beobachten läßt sich auf meiner Insel vor allem, die Lebensweise der Enten.

Viele Stunden der beiläufigen Beobachtung der Enten aus Hängematten in Bäumen, läßt mich zu dem Schluß kommen, daß unter den Vögeln die Enten, aber auch die Gänse und Schwäne, uns Bootsbesitzern am ähnlichsten sind. Wie Bootsbesitzer, haben diese Vogelarten gewisse Limitationen, was die Beherrschung der Dritten Dimension betrifft. Sie können zwar ganz herrlich fliegen, auch wenn Start und Landung nicht im engeren Sinne elegant genannt werden können. Aber in Baumkronen landen können sie genausowenig wie Bootsbesitzer. Sie klatschen immer nur auf's Wasser und paddeln dann an Land.

Trotzdem haben es Enten – aber auch Gänse und Schwäne – besser als man denkt. Dies zu beobachten ist kein Privileg von Bootsbesitzern. Man muß nur im Frühjahr unter Bäumen spazieren gehen und findet ganz sicher kleine Vögel, die aus den Baumkronen gefallen sind. Das ist das Ergebnis einer riskanten Lebensweise, die auf der vermeintlichen Beherrschung der Dritten Dimension basiert. Enten sind da realistischer. Oder hat man jemals Enten gesehen, die aus Bäumen fallen?

PS: Allerdings habe ich aus meiner Hängematte, auf meiner Insel, am 29. April 2007 eine Ente beobachtet, die zwischen den Baumwipfeln augenscheinlich nach einem Landeplatz suchte. Erst verlor ich sie an der einen Ecke meiner Insel kurz aus den Augen. Dann erschien sie wieder und flatterte über mir, vor einem dicken Ast, mit ausgestreckten Schwimmhäuten. Einen kurzen Augenblick glaubte ich, sie schafft es. Dann drehte sie ab und verschwand. Aus der Perspektive des beiläufigen Beobachters kann ich die Enten nur warnen, diesen evolutionären Sprung zu wagen. Im Hinblick auf die nachwachsende Entengeneration hätte dies fatale Folgen. Junge Enten würden aus den Bäumen fallen und hätten fortan weniger gemein mit Bootsbesitzern. Aber wer hört schon auf beiläufige Beobachter?

Meine Insel: