Freitag, 27. Juli 2007

Thesen und Tatsachen II - An die Wand geworfen


Bei der Beschäftigung mit der zweiten These des Projekts rethinking business dachte ich an jene Werbung für die Gelben Seiten, in der es heißt: “Warum fragen sie nicht jemanden, der sich damit auskennt?” Den Thesen hätte das gut getan.

Nachdem wir schon bei der ersten These feststellen konnten, dass die Autoren von Wirtschaft sprachen, wir aber nicht wußten, was sie mit Wirtschaft meinten, setzt sich das bei der zweiten These fort. Beim Nachdenken über diese Thesen, geht es mir ein wenig wie der Königstochter in dem Märchen Der Froschkönig, die beim Spielen im Wald Dinge findet, die sie gar nicht sucht.

These # 02
“Der freie Austausch von Wissen und Kreativität sind die Grundlagen des zukünftigen Wohlstands. Die Wirtschaft tut sich mit beidem schwer.”

Aha, die Wirtschaft tut sich schwer. Das wissen wir, das tut sie meistens – bei Arbeitsplätzen, bei Ausbildungsplätzen, bei Zukunftsperspektiven, bei Antworten auf den demografischen Wandel und bei so mancherlei. Wer aber ist die Wirtschaft? Die Wirtschaft, das ist in diesem Zusammenhang so unspezifisch, wie die Politik, die Kultur, die Wissenschaft, die Findlingseigentümer oder die Hundebesitzer. In ungezählten Politikerstatements wird an solche ungreifbare Subjekte appelliert – an die Hundbesitzer zuletzt, als es darum ging eine Maulkorbpflicht für aggressive Hundrassen zu stoppen. Diese Appelle zeigen nie irgendeine Wirkung, außer einer aufschiebenden. Ersetzte man Wirtschaft durch Unternehmen, dann könnte man darüber vielleicht noch sinnvoll reden. Man hätte sich dann diese These aber auch sparen können, da in These 7 diejenigen Unternehmen als nicht zukunftsfähig erklärt werden, die sich abschotten.

Die These möchte, dass wir darüber diskutieren, ob der “freie Austausch von Wissen und Kreativität (...) die Grundlagen des zukünftigen Wohlstands sind”. Ich kann mir vorstellen, wie ein Austausch von Wissen funktionieren könnte – schließlich bin ich lange Jahre in die Schule gegangen und ein wenig Wissen ist, durch den Einfluß dieser Institution, auch bei mir angekommen. Aber wie funktioniert der Austausch von Kreativität? Nach einer gängigen Definition hängt Kreativität “von Begabungen, Motivationen und Persönlichkeitseigenschaften ab”. Wie tauscht man die Eigenschaften einer Persönlichkeit? Indem man, wie es in einigen schriftlosen Kulturen üblich war, die Hirne der Verstorbenen ißt? Oder funktioniert es, wie in dem Science Fiction Klassiker Invasion der Körperfresser? Oder kann die, in These 11 erwähnte, Bionic Society helfen?

In der letzten Ausgabe der Zeit (vom 26. Juli 2007) las ich mit Vergnügen den Beitrag von Josef Joffe über das Phänomen, dass Power-Point Präsentationen den Geist beschädigen (“An die Wand geworfen” auf Seite 42). Er zitiert dort Edward E. Tuftes Buch The Cognitive Style of PowerPoint mit den Worten: “Bullet outlines can make us stupid.” Die Merkmale der Sprache in PowerPoint-Präsentationen sind die Redundanz (Wiederholung) und das Generische – der Allgemeinplatz. Es wird gesprochen ohne zu denken. “Wir verdummen uns selber,” so Joffe, “wenn wir nichts mehr sagen, sondern nur noch reden.” Die “stumpfe Sprache stumpft auch das Gehirn ab – des Redners wie des Zuhörers.” “Und deshalb dräut der Untergang des Abendlandes, dieser wunderbaren Kultur, deren festes Fundament der klare Gedanke, das rigorose Räsonnieren, die präzise Sprache waren.” So schließt Josef Joffe.

Und ich – ich würde meinen, dass Unternehmen, die sich mit Zukunftsforschung beschäftigen, wie z-punkt - The Foresight Company, die Sprache der Zukunft vielleicht vorwegnehmen. Das hat seinen Preis. Die Probleme der Gegenwart bleiben ungelöst, da sie in einer Sprache formuliert werden, in der man nicht sinnvoll antworten kann. Statt unbedachte Bullet Points zu produzieren, wäre es sinnvoller intelligente Fragen zu stellen. Nach Ludwig Wittgenstein ist “der Sinn einer Frage (…) die Methode ihrer Beantwortung. Sage mir wie du suchst, und ich werde dir sagen, was du suchst.” Ich würde sagen, The Foresight Company sucht noch nach der richtigen Formulierung für wichtige Zukunftsfragen. Der Verzicht auf PowerPoint eröffnet da eine zukunftsfähige und nachhaltige Perspektive.

In all dem Überfluß gibt es keinen Mangel an offenen Fragen: Wovon hängt der zukünftige Wohlstand ab? Geht es um unseren zukünftigen Wohlstand, oder um den Wohlstand aller Erdenbürger? Geht es um Wohlstand für einige, oder um Gerechtigkeit für alle? Ist auch der zukünftige Wohlstand Gegenstand von Verteilungskämpfen und Machtinteressen? Ist der freie Austausch von Wissen in der Sphäre der Wirtschaft nur ein romantischer Gedanke, wie der fromme Spruch “Don't be evil” von eBay? Tummeln sich im Web 2.0 nur gute Menschen oder, neben der Abmahnindustrie, auch jede Menge anderer Betrüger? Geht es um die Kontrolle der Wertschöpfung, wie das Beispiel iPod zeigt, oder darum, wie bei einem Pfadfindertreffen, alles brüderlich zu teilen? Ist Industriespionage vielleicht sogar der Kern einer neuen Kreativitätsindustrie, die die Basis für zukünftigen Wohlstand schafft?

Vielleicht bewegen wir uns jetzt endlich auf dem Terrain der ungelösten Menschheitsfragen. Aber vielleicht sind die Fragen jetzt auch nur so gestellt, dass es darauf sinnvolle Antworten geben kann. Darauf kann ich nur warten.

Am Ende fällt mir noch einmal das Märchen vom Froschkönig ein. In diesem Märchen mußte man nur eine häßliche Kröte an die Wand werfen, damit sie sich in einen schönen Prinzen verwandelte. Den konnte man sogar in echt heiraten, und war glücklich bis ans Ende aller Tage. Das war (Originaltext) “in den alten Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat.” In der Sprache der Bullet Points werden statt Kröten meist Märchen an die Wand geworfen, die werden dadurch nicht schöner und das Wünschen hilft nicht mehr.


Bildnachweis: Lizenzbedingungen der Abbildung der Königstochter.

Keine Kommentare: