In der deutschen Ausgabe der Vanity Fair antwortet Dennis Hopper auf die Frage, ob er Perfektionist sei, er sei Accidentionalist. Als ich dies las, stellt sich mir die Frage: ”Und was bin ich?” Ich denke, ich versuche es heute mal als Superrelativist.
Gestern besuchte ich meinen Freund Bernhard in Neu-Ulm. Aus der ersten Etage seines liebevoll renovierten Hauses hat man einen schönen Blick auf seinen Garten und den Findling, der dort an exponierter Stelle die Blicke auf sich zieht. Nahezu beiläufig erfuhr ich, dass dieser Stein aus Brasilien stammt. Ich war mir sogleich sicher, dass ich das Glück hatte, die umfangreichste Sammlung brasilianischer Findlinge in Neu-Ulm betrachten zu dürfen. Ich habe einfach einen Hang zu Superlativen, die sich manchmal sehr schnell relativieren. Vielleicht gibt es schon in Ulm, um Ulm, oder um Ulm herum jemanden, der zwei brasilianische Findlinge in seinem Garten hat. Wer weiß!
Letzte Woche bin ich – wie aufmerksame Leser bereits wissen – von einer Norwegenreise zurückgekehrt. Diese Reise hatte nur ein Ziel. Ich wollte den Ort besuchen, dessen Name aus nur einem Buchstaben besteht – Å. Dieser Ort liegt am südwestlichen Ende der Straße, die die Lofoten von Norden nach Süden erschließt. Straßen die enden, erhöhen die Attraktivität von Superlativen. Wenn eine Straße an solch einem Ort endet, dann ist das ein Hyperlativ.
Vor einigen Jahren stand ich in einer ähnlichen Sackgasse. Vor mir ein Schild, mit dem Text: ”Bahia Lapataia, República Argentina, Aqui finaliza la Ruta Nac. No 3. Buenos Aires 3063 km”. Ich war am Ende der Welt angekommen – Feuerland und Ushuhaia, die südlichste Stadt der Welt. Auf der gleichen Reise besuchte ich die Peninsula de Valdes. Dort gibt es eine Seelöwenkolonie. Die Jungen der Seelöwinnen werden gerne von Orcas verspeist. Außerdem ist dort eine Senke, die mit 35 Metern unter dem Meeresspiegel als tiefster Punkt Südmerikas gilt.
Einige Jahre später konnte ich das bei einem Besuch im Death Valley noch toppen. Badwater liegt mit 85 Metern unter dem Meeresspiegel bedeutend tiefer, als die kleine Senke in Argentinien. Und Devil's Golf Course im Death Valley ist wahrscheinlich der Golfplatz, der am intensivsten bewässert werden muss. Da fällt mir ein, dass ich mich, bei unpassender Gelegenheit, einmal mit Dietmar Hopp, dem SAP Gründer und Milliardär, über die Bewässerung seines Golfplatzes zu unterhalten versuchte. Da ich als ausgewiesener Experte für trockene Golfplätze gelten kann, hätte ich da schon mehr Interesse erwartet.
Andererseits gibt es Dinge, die fallen mir einfach so zu. Auf den Lofoten, die ich nur besuchte, um Å in die Liste meiner Superlative aufzunehmen, befindet sich der nördlichste Golfplatz der Welt. Wir saßen um Mitternacht dort, nahmen ein Getränk zu uns und schauten den Golfspielern zu. Damit befinden sich zwei Golfplätze in meiner Top-Superlativ-Liste. Vielleicht sollte ich doch mal einen Schnupperkurs im Golfen belegen.
Ich habe da noch ein paar andere Sachen in der Hinterhand, über die ich mich jetzt nicht näher äußern möchte. Beispielsweise glaube ich, dass ich – mit einem normalen Mietwagen – den Streckenrekord zwischen Puerto Bertrand und Puerto Montt aufgestellt habe. Außerdem gehöre ich zu den wenigen Menschen, die illegal in einem Segelsack nach Uruguay eingeschmuggelt wurden. Und wer hat sich jemals in der eigenen Wohnung nackt im eigenen Schrank versteckt, um dem Gasableser zu entgehen?
Superlative sind relativ. Meistens enden sie in Sackgassen oder in dunklen Schränken. Absurd ist das allemal. Vor einigen Monaten war ich bei der Gala des Art Directors Club, bei dem zahlreiche Awards verliehen wurden. Die Kategorien waren so zahlreich, dass ein Award für die umfangreichste Sammlung brasilianischer Findlinge in Neu-Ulm nicht aufgefallen wäre. Meinem Freund Bernhard hätte ich diese Auszeichnung gegönnt.
Einen schönen Artikel über Steine findet ihr in Riesenmaschine
Nachträglich erreichte mich noch dieses schöne Bild von Nicole. Superlative, wie der Ort Å auf den Lofoten, scheinen auch auf andere Menschen eine gewisse Anziehungskraft auszuüben.
Die Fotos stammen vom Autor des Beitrags (1 und 3), WikiMedia Commons (2), Nicole Ellmann (4) und stehen unter Creative Commons Licence
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