Montag, 13. August 2007

Verpönte Kulturtechniken – das Barren


Es gibt naturwissenschaftliche Erkenntnisse, deren Anwendung schon aus purem Egoismus tabu sein sollten. Atombomben zum Beispiel. Oder Giftgas und andere Massenvernichtungsmittel. Für bestimmte Kulturtechniken sollte dies ebenfalls gelten. Da auch die Kochkunst zu den Kulturtechniken zählt, plädiere ich für eine internationale Ächtung des Einsatzes von Rosinen in Käsekuchen.

Gerade in der Kochkunst gibt es viele Dinge, die man machen kann, aber nicht machen sollte. Zum Beispiel kalte Dosenspargel mit Mayonnaise zu verzehren. Oder Krautsalat mit süßer Sahne zu garnieren. Alfons Schuhbeck würzt Gulasch mit Kümmel. Auch da finde ich: Das muss nicht sein. Ganz übel sind auch bestimmte Formen des Nudelsalats, besonders diejenigen die Erbsen, gekochten Schinken und Mayo kombinieren. Das Übelste aber sind Rosinen im Käsekuchen. Wie man es hinbekommt, eine Kulturtechnik auf Dauer zu tabuisieren, zeigt der Pferdesport.

Kein Pferd wäre je auf die Idee gekommen, beim Überspringen eines Hindernisses kleine Helferlein zu organisieren, die mit Stangen von unten auf die Beine hauen. Pferde sind, wie man an den Aufnahmen von Eadweard Muybridge sieht, viel zu vernünftig, um auf hohe Hindernisse scharf zu sein. An der Sequenz von Eadweard Muybridge sieht man auch: Das Leben könnte so schön sein, würden einem nicht ständig Knüppel zwischen die Beine geworfen. Die Kulturtechnik des Hauens mit Stangen auf Pferdebeine nennt man Barren und soll dafür sorgen, dass die Pferde höher springen, als es nötig wäre. Das Barren wurde von Menschen erfunden, vermutlich von Federico Caprilli.

Anfang der 90er-Jahre sah man in sternTV Videoaufnahmen, die zeigten, dass Paul Schockemöhle von Helferlein auf die Beine seiner Pferde kloppen ließ. Der anschließende Skandal führte dazu, dass das Barren offiziell verboten wurde. Paul Schockemöhle hat seitdem einen etwas zweifelhaften Ruf. Inoffiziell, so liest man in den Foren, die sich mit Pferdesport beschäftigen, wird das Barren immer noch praktiziert. Dort heißt es zu diesem Thema: “Es geschieht in Hallen ohne Fenster.” Ein Hinweis darauf, dass Tabus gerne im Verborgenen gebrochen werden.

Bei der am Dienstag beginnenden Europameisterschaft der Springreiter in Mannheim wird man wahrscheinlich eher mit Doping konfrontiert, da das Barren nur schwer nachzuweisen ist. Doping, Barren und natürlich auch Rosinen in Käsekuchen sind ein interessanter Gegenstand der Demutsforschung, da hier sowohl die Grenzen des guten Geschmacks als auch die ethische Dimension bestimmter Handlungen zur Diskussion stehen.

Ich persönlich finde ja, dass man Springreiten als Sport grundsätzlich reformieren sollte. Pferde sollten es unter sich ausmachen, ob und wie hoch sie springen wollen. Reiter sind dabei vollkommen überflüssig. Siehe dazu auch meinen Beitrag über Autopoietische Systeme als mobile Plakatflächen.

Womit wir wieder beim Käsekuchen wären. Rosinen im Käsekuchen sind ebenfalls überflüssig und sollten offiziell geächtet werden. Dass Tabus das Problem meist nicht lösen, sondern in eine Grauzone verlagern, wäre mir in diesem Fall egal. Sollen sich doch die Rosinen-in-Käsekuchen-Fans heimlich in zweifelhaften Videotheken unterm Ladentisch, oder in Hallen ohne Fenster ihren verseuchten Käsekuchen in die Mäuler stopfen. Hauptsache ich bekomme nichts davon mit. Das Gleiche gilt für Cappuccino mit Sahne.


Das galoppierende Pferd stammt von Eadweard Muybridge und steht unter Creative Commons Licence

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

...nun also, vermutlich hat der Fliegende Teppich mal wieder Recht. Aber bevor ich langatmig (warum eigentlich gibt es den "Langatem" nicht - wäre ja dann auch maskulin - so wie Langmut - aber das war ein anderes Thema (wen es interessiert - geht halt zu Almut und Hartmut im Fliegenden Teppich)) werde, gleich zur Sache. Das Bekloppte ist, es gibt tatsächlich Gäule, die springen von allein, weil sie eben tolldreiste Draufgänger sind. Und die ganz verrückten springen sogar über wachsende Mauern (für die Experten: Mächtigkeitsspringen - da wird von Runde zu Runde die Mauer im Parcours immer höher). In diesem verrückten Sport kommt es also darauf an, das Bekloppteste unter allen Pferden zu finden - und wenn es diese Voraussetzung nicht erfüllt hilft man beim Erziehen nach. Übrigens: Das Barren ist tatsächlich blöd und inzwischen geächtet - als Erziehungsmaßnahme funktioniert allerdings auch, wenn man die Pferde beim Sprung an den Unterläufen mit einem Fliegenwedel berührt. Auch dann wirft ein normaler (oder bekloppter siehe oben) Gaul die Beine stärker nach hinten - was ja Sinn und Zweck des "Barrens" sein sollte. Nun denn, was bleibt? Richtig. Die Suche nach dem Springpferd ist also die berühmte Suche nach der Rosine im Käsekuchen (nach deren Ächtung, die ich im übrigen dann nicht unterstütze, wenn die Rosine vorab in Rum gebadet weurde!!!!). Auch ich grüße Uli Hnida - und frage gleich nach, ob nicht auch Klaus Pfenning, sollte er nicht schon dabei sein, ein würdiger Leser des Fliegenden Teppichs wäre, mit ihm habe ich nämlich gerade telefoniert. Also machts gut, ihr fliegenden Rosinen, und: bis bald, Euer Harald

Reinhard hat gesagt…

Lieber Harald,

ich danke Dir für Deinen sachkundigen Kommentar. Das mit den Draufgängern unter den Pferden wußte ich noch nicht. Das macht sie mir aber grundsätzlich sympathischer. Vielleicht werde ich irgendwann einmal meine Erlebnisse mit Lafitta, einer Araberstute in Tunesien, in eine schriftliche Form fassen. Die hatte wirklich Persönlichkeit! Hat mich aber Nerven gekostet.

Das mit den Rosinen in Rum werde ich ausprobieren. Ich werde aber das Werk des Bäckers insofern modifizieren, indem ich als Rosinenpuler die Rosinen vom Käsekuchen trenne und gesondert verzehre.

Vielleicht schmeckts ja.