Mit einem Akkuschrauber verbindet man eine sehr genaue Vorstellung. Es gibt aber Dinge, für die gibt es nur einen vagen Begriff – und die Hoffnung, man möge verstanden werden. Was, zum Teufel, ist also ein Bommel?
Ich hatte mal einen an meiner Mütze. Da war ich noch sehr klein und ich hab diese Mütze nie freiwillig getragen. Damals wurde es noch so kalt, dass in unserem Dorf der Bach zufror und man auf dem Eis spielen konnte. Zuhause hatte wir einen Bommel an einer Schnur, mit der man die Stehlampe aus- und einschalten konnte. Diesen Bommel hatte ich vollkommen vergessen, bis ich in Marrakesh hunderte von Geschäften mit Millionen von Bommeln in ganz unterschiedlichen Größen und Farben sah. Aber vielleicht heißen diese “Bommel” auch “Quaste”, oder vielleicht “Troddel” – oder noch ganz anders.
Der Bommel, an unserer Stehlampe hing immer vor meinen Augen, wenn ich als Kleiner auf der elterlichen Couch rumfletzte. Man musste ihn kurz antippen, dann schwang er in kleiner werdenden Amplituden bis zum neuerlichen Stillstand. Je nach Richtung des Impulses wickelte er sich um den Fuß der Lampe, was die ganze Geschichte ein wenig verlängerte und auch interessanter machte. Dieser Bommel half mir sehr bei meinen täglichen Meditationen. An meine Gedanken erinnere ich mich nicht mehr. Aber ich erinnere mich noch sehr gut an diese nutzlosen Augenblicke des Abtauchens, in ein von mir hervorgerufenes Ereignis, das sein von mir prognostiziertes Ende fand. Denn immer schwang der Bommel um den Fuß der Lampe, wickelte sich auf, änderte die Richtung, wickelte sind im entgegengesetzten Sinne auf und kam irgendwann wieder zum Stillstand. Für meine Persönlichkeitsentwicklung müssen diese Momente, mit dem Bommel, sehr wichtig gewesen sein. Ärgerlich war nur, dass ich irgendwann darauf kam, am Ende meiner Meditation, aus den einzelnen Fäden des Bommels Zöpfe zu flechten. Das fand meine Mutter nicht gut, die immer schon wegen der derrangierten Couchkissen nach meinen Meditationen, die Fassung verlor.
An diese ganze Bommelgeschichte erinnerte ich mich also erst wieder, als ich im Februar Marrakesh besuchte. Marrakesh ist unglaublich reich an Bommelgeschäften. Ganz am Rande bemerkt, gibt es auch bemerkenswerte Geschäfte mit Bauchtanzkostümen, oder mit Drechselarbeiten, deren Besitzer auch vorführen, wie diese Drechselarbeiten entstehen – aber richtig interessiert haben mich nur die Bommelgeschäfte.
Auf ungezählten Quadratmetern finden sich in hier Millionen von Bommeln, in allen Farben, in allen Größen. Es gibt Gigabommel und es gibt Minibommel, wahrscheinlich gibt es sogar unsichtbare Nanobommel. Ein wahres Bommelparadies. Ich habe nur einen Bruchteil dieser Geschäfte besucht. Fassungslos stand ich vor diesem Farbenrausch. Immer fragte ich mich, wer braucht so viele Bommel? Wie groß ist der Bommelmarkt? Wer ist die Zielgruppe, für all diese Bommel? Wie differenzieren sich die einzelnen Bommelgeschäfte, im Markt von ihren Konkurrenten? Gibt es neue Bommelanwendungen, jenseits von Stehlampen und Vorhängen? Auch jenseits der Verwendung, als militärisches Rangabzeichen? Unter der Überschrift “Troddeln und Faustriemen” fand ich auf der Website www.bajonett.de den Hinweis, dass der Bommel als “Troddel” bis nach dem 1. Weltkrieg von deutschen Soldaten als Rangabzeichen und Hinweis auf die Kompanie getragen wurde. Aber das ist ja lange her.
In Marrakesh jedenfalls sah ich niemals jemanden einen Bommel kaufen. Auch ich habe keinen gekauft. Vielleicht hätte ich das tun sollen – wegen der Meditation.
Samstag, 28. April 2007
Die “Bommelgeschäfte” von Marrakesh
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1 Kommentar:
hallo, fliegender teppich! Bekommen Sie dies hier noch? ich habe antworten auf ihre Fragen...
beste grüße
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